Welche Rollen spielen Kunst und Kultur bei den globalen Nachhaltigkeitszielen?

Kulturarbeit als Katalysator: Nachhaltige Regionalentwicklung im Fokus. Kunst und Kultur sind zentrale Aspekte in der nachhaltigen Regionalentwicklung. Das verdeutlicht der UNESCO-Weltkulturbericht und öffnet damit ein Spannungsfeld: Künstlerische und kulturelle Aktivitäten leisten einen wesentlichen Beitrag für sozialen Zusammenhalt und ermöglichen transformative Zugänge. Zugleich bedarf es einer Transformation der Kunst- und Kulturbranche selbst, um den Herausforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden und Veränderungsprozesse mitzuschreiben. Vor dem Hintergrund von Kapitel 8 des Weltkulturberichts widmet sich Alina Zeichen, dem Beitrag von Kunst und Kultur zu nachhaltiger Regionalentwicklung.

Alina Zeichen beim UNESCO Talk Kulturpolitik neu denken.

Dieser Beitrag wurde publiziert in der Dokumentation des UNESCO Talks "Kulturpolitik neu denken. Aus internationalen Erfahrungen lernen" vom 13. Dezember 2022.

In der Abschlusserklärung der UNESCO-Weltkulturkonferenz MONDIACULT 2022 haben sich 150 Staaten zu einem fairen Kunst- und Kultursektor verpflichtet und beschlossen, dass Kultur in der Agenda für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ein eigenes Ziel erhalten soll. Somit bekennen sie sich in ihren politischen Strategien zur Wichtigkeit von Kunst und Kultur als globales öffentliches Gut. Die hohe Wertigkeit von Kunst und Kultur ist bemerkenswert und diese Entwicklung ein Meilenstein.

Mehrere Staaten beschrieben jedoch schon davor in ihren Sustainable Development Strategies Kunst und Kultur als essenziellen Teil zur Erreichung der derzeitigen globalen Nachhaltigkeitsziele, welche aktuell ökologisch, ökonomisch und sozial definiert werden, und betonen, den Sektor inkludierend nutzen zu wollen (UNESCO 2022:211).

Analyse

Konkret erkennen 88 % der begutachteten Staaten die wichtige und strategische Rolle von Kunst und Kultur bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele an und wollen diese in ihre Pläne einbinden (UNESCO 2022: 212). Dabei werden im Wesentlichen zwei Grundgedanken verfolgt: nämlich wie der Kultursektor den eigenen CO2-Fußabdruck kritisch hinterfragen sowie gegebenenfalls reduzieren und was der Sektor inhaltlich zur Sensibilisierung der Gesellschaft sowie zur Erreichung der Ziele beitragen
kann. Damit wird große Hoffnung in Kunst und Kultur als Multiplikator und Narrator gesetzt.

Ein großer Teil der kulturellen und künstlerischen Aktivitäten ist in Österreich im ländlichen Raum angesiedelt. Diese Kulturinitiativen haben eine starke, identitätsstiftende Wirkung. Sie sind regionale kulturelle Nahversorger und oft der erste Kontakt zu Kunst und Kultur. Die Kulturprogramme der Initiativen im ländlichen Raum sind geprägt von einem Mix aus internationalen, nationalen und regionalen Künstler*innen. Sie programmieren zeitgenössisch, spartenübergreifend und interdisziplinär. Dadurch ermöglichen sie einerseits lokalen Künstler*innen erste Auftritte und Wahrnehmung sowie andererseits dem Publikum ein Fenster zur „großen Kunstwelt“. Sie reagieren auf gesellschaftliche Herausforderungen und vermitteln diese auf Augenhöhe. Durch multiple Formen der Beteiligung wird das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt, denn die regionale Kulturarbeit ist geprägt von vielseitigen Möglichkeiten der Teilnahme. Die Einwohner*innen aller Altersgruppen erleben Kunst in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung und müssen nicht mehrere Kilometer zum nächsten Veranstaltungsort fahren. In vielen Fällen sind diese sogar zu Fuß zu erreichen und dadurch für Kinder- und Jugendkulturarbeit prädestiniert. Darüber hinaus sind sie oft als einziger Begegnungsort übrig geblieben, da viele Gasthäuser und andere zentrale Einrichtungen geschlossen wurden. Weiters sind sie Arbeit- und Auftraggeber*innen (u.a. Angestellte, Künstler*innen, Handwerksbetriebe wie Tischlereien, Verköstigung, Übernachtung, ...), somit werden Arbeitsplätze erhalten bzw. geschaffen. Daher spricht für regionale Kulturentwicklung nicht nur die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen, sondern auch, dass Beteiligungsmöglichkeiten und kulturelle Entfaltung ein wichtiger Faktor gegen Abwanderung sind.

Ein Blick auf die positive Wirkung von Kulturarbeit im ländlichen Raum in kulturellen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Bereichen lohnt sich. Projekte, mit denen sich verschiedene Kulturinitiativen bereits in die Debatte zum Thema Nachhaltigkeit einbringen, wurden im Magazin der IG Kultur Österreich im Jahr 2022 gesammelt dargestellt. Die abgebildete Spannbreite ist dabei groß und führt von praktischen Ideen, wie Veranstaltungen umweltverträglicher werden können (Stichwort „Green Events“), über nachhaltige Ressourcennutzung (z.B. Kleidertausch und Repair-Cafés) hin zu künstlerischen Projekten über die negativen Folgen des Klimawandels.

Conclusio

Einen Bericht vor sich zu haben, der die Wichtigkeit und Notwendigkeit von Kunst und Kultur als globales öffentliches Gut anerkennt, ist beeindruckend. Ob dies auf politischer Ebene tatsächlich umgesetzt wird, ist jedoch fraglich, denn: „There are still gaps in policy-makers understanding of the cultural and creative sectors’ economic potential and insufficient funding.“ (UNESCO 2022: 216). Es braucht mutige Politiker*innen, die die Wichtigkeit von regionalen Kulturinitiativen in den eigenen Gemeinden erkennen. Die finanzielle und strukturelle Förderung hinkt den großen Städten oft nach. Darum wäre auf eine interministeriale und intersektionale Zusammenarbeit, ausgeweitet auf alle Verwaltungsebenen (Bund, Land, Kommunen), zu setzen und es wären Leitlinien zu erstellen, die vor allem die kleineren Gemeinden unterstützen. Eine Zusammenarbeit zwischen Ministerien und unterschiedlichen Verwaltungsebenen, bei welcher Methoden entwickelt werden, wie lokale Bürgermeister*innen Kultur in ihre Entwicklungspläne implementieren können, könnte sehr positiv und stark in die Regionen wirken (in Anlehnung an Beispiel UNESCO 2022: 222). Damit wäre die Arbeit an der Basis gefördert und der Zugang zu Kunst und Kultur auch in den Regionen niederschwellig gehalten. Prozesse zu fördern und Vernetzung zu stärken sind der reinen Projektförderung vorzuziehen.

Ein Best-Practice-Beispiel für regionale Kulturentwicklung ist „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel“ der Kulturstiftung des Bundes. 2015 wurde „TRAFO“, ein deutschlandweites Strukturprogramm, gestartet, das sich explizit auf Kultur im ländlichen Raum fokussiert. Neben Förderungen für Transformationsvorhaben wird das Programm wissenschaftlich begleitet und erörtert die Frage, wie Kulturförderung in gesellschaftliche Diskurse und Prozesse hineinwirken kann. Die Empfehlungen zu Prozessgestaltung, Vernetzung und Beteiligung wären auch ein guter Orientierungsfaden für Österreich.

 


Bibliografie

IG Kultur Österreich (Hg.) (2022): Klima Kultur Arbeit. Zentralorgan für Kulturpolitik und Propaganda 01.2022. Wien.

Kulturstiftung des Bundes: TRAFO. Modelle für Kultur im Wandel. https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/de/projekte/transformation_und… (10.12.2022).

Syspons GmbH (2021): Evaluation des Programms „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel“ der Kulturstiftung des Bundes. https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/fileadmin/user_upload/download… (10.12.2022).

 

Foto: (c) Tanya Kayhan