Feministische Kunst – nicht ministrabel
Der zeitgeistige Tenor zum Thema politischer Sprengkraft von Kunst ist jener, dass, wo alles medial erlaubt ist, keine ästhetischen Provokationen mehr möglich seien. Jüngste Ereignisse rund um ein Kunstprojekt von hellwach – bei Gewalt an Frauen zeigen etwas anderes.
Der zeitgeistige Tenor zum Thema politischer Sprengkraft von Kunst ist jener, dass, wo alles medial erlaubt ist, keine ästhetischen Provokationen mehr möglich seien. Jüngste Ereignisse rund um ein Kunstprojekt von hellwach – bei Gewalt an Frauen zeigen etwas anderes.
Hintergrund: hellwach war eingeladen worden, eine Ausstellung zur internationalen Tagung „10 Jahre österreichische Gewaltschutzgesetze“ im Palais Auersperg vom 5.-7. November zu gestalten. Vor Kongressbeginn wurden die Installationen vom Büro der Frauenministerin mit der Begründung, sie sei „nicht ministrabel“, abgelehnt. Besonders zwei Bilder mit folgenden Texten stachen den behördlichen Damen ins Auge: „Wir fordern einen autonomen Aufenthaltsstatus für Migrantinnen! Sie sind sonst rechtlos der Gewalt durch den Ehemann ausgesetzt.“ Und: „Viele Frauen und Mädchen sitzen zu Hause in der Falle. Vergewaltiger wir kriegen dich!“ (hellwach)
Eingeladen zur künstlerischen Intervention hatten als Veranstalterinnen die Interventionsstelle Wien und das Gewaltschutzzentrum NÖ; gesponsert wurde die Konferenz vom Frauen- und vom Innenministerium. Offenbar befand die Interventionsstelle die Arbeiten als problematisch und sandte diese ans Büro der Frauenministerin. In der Rechtfertigung gegenüber der AUF – eine Frauenzeitschrift heißt es u.a. „... die Aussage ‚wir fordern‘ könnte missverständlich als Forderung aller an der Konferenz Beteiligten aufgefasst werden“; sowie: „Wenn es um das Thema Gewalt geht ist ein besonders sensibler Umgang mit den Botschaften, die dabei vermittelt werden, geboten.“
Fragen: Was bedeutet es, wenn feministische Projekte im vorauseilenden Gehorsam politische Kunst für problematisch halten? (Laut einer Teilnehmenden an der Konferenz wurden weder die Zensurmaßnahme noch das Zeigen der Arbeiten im Frauencafé erwähnt.) Was bedeutet es, wenn ein Frauenministerium Kunst von Frauen im öffentlichen Raum verschwinden lässt? (Interessanterweise kam das Innenministerium nicht ins Spiel; über interministerielle Zwistigkeiten ist nichts bekannt.) Laut dem Herkunftswörterbuch kommt „Minister“ von „Diener, Gehilfe“. Wer hier wohl wem Gehilfin war ...
Was bedeutet es, wenn Kunst „nicht-ministrabel“ ist? Das Fremdwörterbuch sagt zu „ministrabel“: „befähigt Minister zu werden“. Das allerdings war wohl nicht der Anspruch von hellwach. Tja, deutsche Sprache, schwere Sprache. Es müsste wohl „administrabel“ heißen. So ist es zu-trefflich: Ein Frauenministerium, als Dienerin des Staates, kann feministische Kunst weder verrichten noch verwalten. Aber scheinbar (künstlerische) Frauenarbeit „vernichten“.
Was bedeutet es, wenn die symbolische Ebene von Kunst gleichgeschaltet wird mit der Aufforderung zur Unmittelbarkeit? Das stilisierte Messer des „hellwachen“ Logos stünde in „eklatantem Widerspruch zum Inhalt der Tagung, nämlich sich deutlich gegen jede Form der Gewalt auszusprechen“ (ebd.). Ja so ist das nämlich: Tagtäglich rennen mit Messern bewaffnete Frauen durch die Gegenden und wehren sich. Was hingegen wirklich abzuwehren ist, sind ministerielle Anordnungen von struktureller Gewalt, denn als solche ist das Verfahren zu „begutachten“. Ein Mehr an politischer Selbsteinsicht wäre den Veranstalterinnen und den SponsorInnen mehr als zu wünschen.
Im Rahmen der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ ist die Ausstellung im Schaufenster der AUF (Kleeblattgasse) bis zum 19.12. in Endlosschlaufe zu bewundern.