Crowdfunding als Kofinanzierung und Marketing Tool für Kunst und Kultur

Wenn Geld knapp ist - und das ist es im Sektor fast immer, kommt schon mal die Idee auf, Crowdfunding zu versuchen. Man sollte dabei aber wissen, worauf man sich einlässt, denn es kann ein enormer Arbeitsaufwand werden. Es hat aber mehr Nutzen, als nur Gelder zu lukrieren, denn damit kann man gleichzeitig ein Netzwerk aufbauen und die eigene Kommunikation stärken. Es ist also sinnvoll, das Unterfangen gut abzuwägen und auch an die Zeit nach der Kampagne zu denken: nun hat man das dieses Projekt, den Umbau, die Aktion finanziert, aber eigentlich sollte man eine andere Ressource nicht liegen lassen: die Crowd selbst.

Crowdfunding Kunst und Kultur

„Crowdfunding“ bedeutet aus dem Englischen übersetzt so viel wie Schwarmfinanzierung, also eine Art der Geldbeschaffung über eine Anzahl an Menschen. Das Geld kommt dabei von einer Vielzahl von Menschen. Die traditionelle Variante wäre das klassische Spendensammeln. Der Begriff steht mit Formen der Geldbeschaffung über das Internet in Verbindung und wurde an die Bezeichnung „Crowdsourcing“ angelehnt, also der Auslagerung von Teilaufgaben an viele verschiedene Teilnehmende (als Ableitung von „Outsourcing“, also externer Delegation). Es handelt sich um ein Phänomen des Web 2.0. Ein Netzwerk an Partizipierenden wird über Webplattform aktiviert, um die spezifische Leistung finanziell realisierbar zu machen. Die ältesten Plattformen dafür sind ArtistShare oder Indiegogo, sowie Kickstarter. Die Modelle unterscheiden sich dabei. Verschiedene Arten des Crowdfunding sind Spenden-Crowdfunding (ohne materielle Gegenleistung), klassisches Crowdfunding (über Belohnungsmodelle), Verleihendes Crowdfunding (das Geld wird später zurückgezahlt) oder investierendes Crowdfunding (man erhält einen Anteil am Projekt). Die Finanzierung ist in der Regel eng zweckgebunden und durch eine Mindestkapitalmenge definiert, eine Summe also, die mindestens nötig ist, um das Projekt zu realisieren.

Häufig handelt es sich um ein Finanzierungsmodell für Nischenprojekte, also Projekte, die sind nur schwer finanziell realisierbar wären. Viele kleine Kunst- und Kulturschaffende versuchen so an kleine Summen für die Realisierung von Projekten oder Werken zu kommen, es gibt aber auch Beispiele, wo große Summen lukriert wurden, wie für den 2014 erschienenen Spielfilm zur Serie „Stromberg“, für den über eine Million Euro gesammelt wurde. In Vorarlberg wurde Crowdfunding für eine politische Kampagne genutzt. Mirjam Steinbock, IG Kultur Vorarlberg und Niklas Koch, Spielboden erzählten mir von ihrem „maniFEST für Kultur um 6“. Es ging darum, dass der Kulturauftrag des ORF gefährdet war, da eine relevante Kultursendung auf einen schlechteren Sendeplatz verschoben werden sollte und damit in weiterer Folge die Kürzung oder Streichung der Kulturberichterstattung befürchtet wurde. Sie wollten eine Protestaktion organisieren, eben das maniFEST. Bereits die Planung des Crowdfunding kann als Teil der Kampagne verstanden werden: sie haben sich als Allianz vieler Kunst- und Kulturtätiger zusammengetan und mit dem Crowdfunding nicht nur das Fest finanziert sondern über die Bewerbung bereits viel Aufmerksamkeit für das politische Anliegen generiert. Neben der erfolgreichen Finanzierung hat die Aktion auch die Beziehungen in der Kulturszene ordentlich und nachhaltig gestärkt. Ganz abgesehen davon, dass die geplanten Änderungen abgewendet werden konnten. 
Hier hat sich ein Kollektiv von Kulturtätigen für eine spezifische Aktion gefunden, es gibt aber auch Beispiele, in denen das Tagesgeschäft gefährdet ist. Das SUB in Graz stand vor der behördlichen Schließung, weil sie sich notwendige Sanierungsarbeiten nicht leisten konnten. Um die Arbeiten durchführen zu können wurden Spenden gesammelt, Crowdfunding war da auch nur ein Tool von mehreren, um an diese Gelder zu kommen. Da das SUB ein wichtiger Ort der freien Szene in Graz ist bestand bereits ein gutes Netzwerk an Fans und Unterstützenden, die sie dafür aktivieren mussten, damit sie konkret an das Geld kommen. 

Der erste Schritt ist für erfolgreiches Crowdfunding ist, das konkrete Anliegen so zu definieren, dass es eine bestimmte Gruppe von Menschen so anspricht, dass es sie dazu motiviert, es auch finanziell zu unterstützen. Das klingt jetzt banal, aber das heißt auch es zu verschriftlichen und damit in einfacher und verständlicher Sprache klarzumachen, welches Ziel man damit verfolgt und warum das relevant ist und warum das nur mit diesen Geldern realisierbar ist. Es kann helfen, das Werk, das Projekt oder die Aktion als „Story“ zu denken, als Geschichte. Warum ist es wichtig, dass das Anliegen realisiert wird? Welche Lücke wird damit geschlossen? Warum braucht ihr dafür die Unterstützung?
Der nächste Schritt ist die Wahl der richtigen technischen Plattform. Crowdfunding kann über verschiedene Plattformen abgewickelt werden. Manche davon sind kommerzielle Anbieter und finanzieren sich über Pauschalen oder Prozente. Es gibt auch gemeinnützige Plattformen, die kein kommerzielles Interesse verfolgen. Auch hier kann man schauen, welche Art von Projekt man realisiert und Plattform bereits solche Projekte anführt. Hier kann man auch von den Interessen der User profitieren, die die Plattform bereits nutzen. Neben den bereits erwähnten Plattformen gibt es im kommerziellen Bereich noch GoFundMe oder Startnext, sowie im gemeinnützigen Bereich Respekt.net, GlobalGiving oder BetterPlace.org

Auf den Plattformen muss definiert werden, welches Finanzierungsziel man hat, also welche konkrete Summe man braucht. Es kann durchaus Sinn machen, nicht alles auf eine Karte zu setzen, also Crowdfunding nur als ein Tool von vielen zu sehen und nur eine Teilsumme darüber anzustreben. Das senkt die Minimalsumme und wenn andere Finanzierungswege bestehen, können sie ein knappes Crowdfunding kompensieren – so kann das Finanzierungsziel der Plattform am Ende selbst aufgefüllt werden, damit die Summe nicht zurückgeht und das Projekt realisiert werden kann. Es kann nämlich bei manchen Plattformen der Fall sein, dass das Geld an die Unterstützenden zurückgeht, wenn diese Finanzierungsschwelle nicht erreicht wird und man leer ausgeht. Es ist also womöglich vorteilhaft, Crowdfunding als eines von verschiedenen Standbeinen zu betrachten, um ein partikuläres Anliegen erfolgreich zu finanzieren. 
Ein anderer Faktor, der wohl überlegt sein soll, ist die Laufzeit der Kampagne. Sie hängt vom geschätzten Arbeitsaufwand ab. Je nachdem, wie groß eurer Team ist, und ob da jede Person ein eigenes Netzwerk mitbringt, oder ob ihr ein Lokal, einen Verein, ein Projekt finanzieren wollt, das quasi schon Fans hat oder ob ihr quasi von Null beginnt und dieses Netzwerk erst aufbauen müsst, Leute quasi erst erreichen und überzeugen müsst, macht es Sinn, unterschiedlich lange Laufzeiten einzuplanen, um den Aufwand in realisierbarem Ausmaß zu halten, vor allem angesichts der Frage, ob die Kampagne im Rahmen der Regelarbeitszeit bearbeitet werden kann oder neben einer anderen Haupttätigkeit. Faktoren, die dabei helfen, diese Frage zu beantworten, wären zum Beispiel Faktoren, wie eine starke Website, über die das laufen kann, wo schon Leute erreicht werden oder ob ihr eine neue aufbauen und bekannt machen müsst, oder ob ihr bereits Audience und Engagement auf Social Media Kanälen habt oder diese erst gewinnen müsst. Des weiteren ist relevant, ob ihr ein Netzwerk habt, auch externe Personen zur Bewerbung eures Projektes in ihren Kanälen zu bewegen, bzw. Testimonials, Videobotschaften, etc. für euch bereitzustellen oder ihr diese Kontakte erst knüpfen müsst. Ein anderer Aspekt ist eine eigene Pressearbeit und Pressekontakte. Umso weniger Netzwerk und Kommunikationsinfrastruktur ihr habt, umso mehr solcher Aktivitäten braucht ihr, umso mehr Content müsst ihr vorbereiten, und auch überlegen, wie dieser Inhalt interessierte Zielgruppen erreicht und auch über welche Kanäle. Das kann eine Orientierung dafür sein, wie lange man eine Kampagne ansetzen sollte. Bedenkt aber, ihr am Ende nicht nur die lukrierte Summe erhält, sondern dass ihr diese Kommunikationskanäle aufgebaut oder gestärkt habt. Teil der Planung sollte auch sein, wie diese Ressource in den Regelbetrieb überführt werden kann.

Einige Crowdfunding Kampagnen bieten Gegenleistungen an, quasi eine Art Belohnung für die finanzielle Unterstützung. Das können Postkarten oder persönliche Grußbotschaften sein, Goodie-Bags oder ähnliches. Wenn ihr ein Werk produziert, kann Crowdfunding auch eine Art Vorverkauf bilden, auch bei Veranstaltungen. Die Gegenleistung ist dann das Buch, die CD oder aber Eintrittskarte zum Event, Screening oder Vorführung. Es kann auch ideell sein, wie Nennung im Abspann oder Namensplakette vor Ort oder exklusiv, wie eine kleine private Eröffnung am Vorabend der Vernissage. Diese Belohnungen sollten in ihrer Größenordnung an die jeweilige Spendenhöhe angepasst sein, möglicherweise einen zusätzlichen Anreiz zur Unterstützung bieten. Im Fall vom Sub war die Crowdfunding Kampagne nur eine Erweiterung ihrer laufenden Spendensammlungstätigkeit, sie haben keine Gegenleistungen angeboten. Beim maniFEST hat die Organisation gleich von Beginn an im Kunst- und Kulturbereich tätige Menschen angesprochen, denen das Anliegen wichtig war. Diese haben die Kampagne schon im Vorfeld mit ihren Werken unterstützt, die als Gegenleistung angeboten wurden. So wurde nicht nur eine breitere Kulturszene aktiviert und ein Netzwerk aufgebaut, sondern auch ein maßgeschneiderter Anreiz für ein kulturinteressiertes Publikum geschaffen. Allerdings gilt auch hier zu Bedenken, dass die Beschaffung, Erstellung, Einbindung und Lieferung der Gegenleistung auch kein zu unterschätzender Arbeitsaufwand sein kann. 
Was Kommunikationstools betrifft, setzen viele Crowdfunding Kampagnen eigene Websites auf. Beim maniFEST hat sich eigens für die Aktion eine Gruppe Kulturtätiger zusammengeschlossen, insofern machte es Sinn, dafür eine eigene Website zu machen. Wenn zum Beispiel ein bestehendes Projekt oder Lokal unterstützt wird, ist es sinnvoll die eigene Website anzubinden, zumal es ja ohnehin eine Page auf der Crowdfunding-Plattform gibt. Das SUB nutze die Plattform und ließ über die eigene Website eine separate Spendenaktion laufen. Eine weitere Bewerbung über Social Media ist sinnvoll. Eigene bereits bestehende Mailinglisten der beteiligten Organisationen sind ein geeignetes Mittel, man kann auch andere Organisationen bitten, auf die Kampagne in ihren Newslettern hinzuweisen. Es kann bei größeren Aktionen auch sinnvoll sein, so viele Social Media Kanäle wie möglich zu bespielen. Wenn das Team überschaubar und die eigenen zeitlichen Ressourcen gering sind, machet es jedoch Sinn, darüber nachzudenken, welche Plattform am besten zum Anliegen passt, bzw. wo man am ehesten geeignete Zielgruppen erreicht und eher in der Folge eher versucht, dort eine Art Welle loszutreten, anstatt auf vielen Plattformen gleichzeitig zu agieren und überall nur auf geringer Hitze zu köcheln. Vereinzelt können klassische Methoden auch funktionieren: Manche plakatieren im öffentlichen Raum, was Sinn macht, wenn das Anliegen eher örtlich oder regional relevant ist. 

Mit der Kampagne endet zwar die Finanzierung, aber nicht die Kommunikation, denn das Geld ist nicht die einzige Ressourcen, die man damit gewonnen hat. Es wurden Kontakte aufgebaut oder gestärkt. Man sollte die Unterstützenden nicht nur laufend über den Fortschritt informieren, Dankesnachrichten versenden, etwaige Anfragen schnell und transparent beantworten, sondern auch danach weiter darüber informieren, was aus der Aktion geworden ist oder ob sich in der Folge etwas daraus entwickelt hat, bzw. was man als nächstes plant. Alles in allem ist Crowdfunding für sich genommen nicht nur ein Finanzierungstool, sondern ein Kommunikationstool. Man tut gut daran, im Kopf zu behalten, dass es um mehr geht, als nur Geld, um den Schwung mitzunehmen und sich ein nachhaltiges Netzwerk aufzubauen.