Von „Nicht zuständig!“ bis „Wir melden uns!“
Wie verhindert die Stadt Wien BürgerInnenbeteiligung (BB) bei Bau- und Stadt-„Entwicklungs“- Projekten – speziell von unabhängigen Gruppen und Individuen im Zusammenhang mit Kunst und Kultur?
Wie die Stadt Wien Partizipation verhindert.
Wie verhindert die Stadt Wien BürgerInnenbeteiligung (BB) bei Bau- und Stadt-„Entwicklungs“- Projekten – speziell von unabhängigen Gruppen und Individuen im Zusammenhang mit Kunst und Kultur?
Die teure Blase der unverbindlichen Expertise
Wiener Charta oder Gaswerk Leopoldau: Mit teuren und aufwändigen Verfahren kommt am Ende immer dasselbe heraus: nicht bindende Papiere. Aufgrund von Unwissen über das Nichtbindendsein sind die ersten ruhig gestellt, die zweiten sehen es als „Schritt in die richtige Richtung“. Der Rest der unaufgeklärten Masse sieht es als professionell aussehendes Ergebnis, welches die Stadt mit ihrer medialen Macht gut zu verkaufen weiß.
Aber auch das Gegenteil von Unverbindlichkeit hat in Wien System: die nie zugesagte Ergebnisoffenheit. Wo BB Dialog einsetzt, rollt längst der Stein des Anstoßes. Dass runde Tische und Mediationen einberufen werden, Bautätigkeiten aber parallel weitergehen oder Baustopps explizit ausgeschlossen werden, vergrault vielen schon anfänglich das Partizipationsangebot. Sie bleiben aus Protest fern. Wer dennoch kommt, ist spätestens frustriert, wenn am Ende nichts herausgekommen ist oder wieder einmal nicht bindende „Vereinbarungen“ unterschrieben werden.
Vorplanen, Abstecken und Einschränken: Für das Gaswerk Leopoldau äußerten vor einem Jahr AktivistInnen kulturelle Nachnutzungsideen. An ihnen vorbei wurde daraufhin von einem privaten Planungsbüro im Auftrag der Stadt ein Planungsverfahren erarbeitet, dessen Rahmenbedingungen BürgerInnen nicht zum Ausgangspunkt, sondern zu einem Abhak-Punkt unter vielen machten. Ideen konnten ohne Kammerlizenz und Titel nicht eingereicht werden. Den BürgerInnen vorgeschaltet wurden GewinnerInnen eines Architektur-Wettbewerbs. Diese haben durch die „Aufgabenstellung“ einen eng gesteckten Rahmen, in welchem der Ideen- und Mitbestimmungsspielraum von BürgerInnen minimal ausfällt. Weiterer Teil des Drehbuchs zum gezielten Terrain-Abstecken: von „ExpertInnen“ vordefinierte Themen-Workshops.
Crème de la Crème
Auch im jetzigen Gaswerk-Planverfahren kann die oben genannte Gruppe nicht teilnehmen, weil der starre Rahmen nur die Einbeziehung von drei AnrainerInnen-Vertretern zulässt. Wer „nur“ interessiert ist, klopft an verschlossene Türen. Die Wahl von VertreterInnen dient der Stadt dabei zweifach: nicht nur schließt sie eine beträchtliche Anzahl von Menschen von den wichtigen Planungsphasen aus. Sie speist auch jene mit Zufriedenheit ab, welche gewöhnt sind, Eigenverantwortung durch Wahlen an andere weiter zu delegieren. Hier wird perverserweise das als „BürgerInnenbeteiligung“ verkauft, wogegen BB als Konterkonzept formuliert wurde: Wahlen, Repräsentationsämter und individuelle Entscheidungen!
Mediationen, runde Tische und öffentliche Auftritte wirken medial beruhigend. Am Ende einer Mediation steht dann schon mal eine von allen zu unterzeichnende „Stillhaltezusage“. Damit schaufelt sich BB ihr eigenes Grab.
Zerrupfung von Kompetenzen und Neu-Strukturierung nach Wahlen machen für BürgerInnen Orientierungs- und für Regierungen Anlaufzeit nötig. Ressorts, die nicht zusammengehören sollten, werden zusammengelegt – wie Planung und Partizipation. Sinnvoll gebündelte Zuständigkeiten hingegen werden aufgeteilt. Die parteifarbliche Separation von Zuständigkeiten tut ihr Übriges. Rathausinterne Kommunikation scheint bei Asterix und Obelix in Rom abgeschaut worden zu sein. Wenig beflügelnd für BB-Prozesse.
„Nicht zuständig!“
Nach Auslagerungen einst städtischen (Grund-)Eigentums an privatwirtschaftliche Betriebe oder die Beauftragung externer Büros mit Planungsprozessen streitet die Stadt ihre Verantwortung für die Garantie von BB ab.
Auch die rigide Wiener Bauordnung dient als Instrument zur BB-Abwehr: In dem staubigen Wälzer lässt sich für alles ein baupolizeilich begründetes Gegenargument finden. Und zur Not ist die nächste Wahl nicht weit: Wer weiß, wer dann die der Widmungskompetenz besitzen wird. Grundsätzlich haben die bürgerlich denkenden Köpfe der Stadt sehr eng gesteckte Vorstellungen davon, wie „richtiges“ Wohnen, Arbeiten und Kulturbetrieb baulich auszusehen haben. An dieser Starrheit prallen innovative Initiativen knallhart ab.
Ob Kontamination oder Mietverträge: Der Zugang zu Dokumenten wird blockiert. Bei der kommunikationstechnisch ansonsten extrem gut aufgestellten Stadt Wien kommt es nicht von ungefähr, dass interessierten BürgerInnen essenzielle Informationen vorenthalten oder erst nach komplizierten Wettbewerbs-Anmeldeverfahren einer kleinen Elitegruppe zugänglich werden.
Zu reich. Und nicht sexy.
Wien verdient mit seiner touristifizierten Hochkultur-Massenproduktion einen Haufen Geld. Daher greift in Wien nicht einmal mehr das (bedenkliche!) Argument des sogenannten Standortvorteils: Ob junge Kreative drohen, abzuwandern, lässt die Stadt kalt. Von innovativen Köpfen und sich beteiligenden BürgerInnen befreit sich die Stadt damit gleich in einem Aufwischer.
BB ist in Wien also noch lange nicht Alltag und Ausgangsbasis von Stadtentwicklung – sondern der Notfall. Sie dient nicht als Ideenquelle, sondern als Legitimationsstrategie. Die Mechanismen, um Partizipation zu verhindern, werden vom Gros der Bevölkerung nicht dekodiert, sondern im Sinne der Stadt interpretiert. Wir machen sicher keine „Stillhaltezusagen“ – wir sind laut! Und wir machen unsere Stadt selbst.
Das CIT-Collective ist eine transdisziplinäre Plattform, die sich kritisch mit Stadtentwicklung, Urban Commons und stadtplanerischen Prozessabläufen befasst – hauptsächlich in Wien. Sie interveniert in verschiedener Form bei aktuellen Ereignissen, wie derzeit beim Standort Gaswerk Leopoldau. Mehr Infos unter: citcollective.wordpress.com