Queering Gay Pride. Zwischen Assimilation und Widerstand
Marty Huber: Queering Gay Pride. Zwischen Assimilation und Widerstand. Wien: Zaglossus 2013
Es heißt ja, Queering Gay Pride soll man* in der Mitte beginnen. Und wer sich tatsächlich auf diese Dramaturgie einlässt, steigt bei den Stonewall Riots ein. In ihrem fünften Kapitel macht die Autorin den Widerstand greifbar, dessen ambivalenter Wirkmächtigkeit ihre Auseinandersetzung gilt. Sie schreibt über Butches, Schwarze Dragqueens, „Flaming Queens“ und „Street Kids“, über die eindrucksvolle Aneignung der Christopher Street. Als Abgrenzungsfolie dienen ihr die adrett gestalteten Annual Reminder der Jahre 1965-1969 (und deren dem zugewiesenen Geschlecht entsprechender Dress Code) oder auch die eindimensionalen Strategieentscheidungen der Gay Activists Alliance. Über diese Skizzierung lässt sich bereits die Ambivalenz ausmachen, von der die Perspektive der Autorin geprägt ist. Während sie auf der einen Seite von den Single Issue Politiken spricht, auf die Stonewall
im Zuge der Institutionalisierung reduziert wurde, legt sie andererseits ihren Finger auf den Outlaw-Charakter der Riots; die radikale Referenz devianter Körper, denen es mitnichten um Anerkennung durch die normative Gesellschaft ging. Ein wenig Back to the Roots Romantik, quasi. Naivität muss man* Queering Gay Pride allerdings nicht vorwerfen. Die Autorin lässt keinen Zweifel an der Notwendigkeit, die historische, lokale und politische Einbettung von Stonewall anzusprechen oder auf die Widersprüchlichkeit des Sichtbarkeitsnarratives zurückzukommen. Sie spricht die Kommerzialisierung der Paraden an, die viele schon lange fernhält oder auch politische Alternativen wie den Transgenialen CSD entstehen lassen hat. (Antimuslimischer) Rassismus ist ebenso Thema wie lesbischwule Kompliz*innenschaft – und wieder einmal wird offensichtlich, dass ein herrschaftskritisches Queernessverständnis ohne postkoloniale Ansätze und antirassistische Praxen nicht auskommt. Aber dabei bleibt es nicht. Und darin liegt einer der Punkte, die Queering Gay Pride aus meiner Sicht so lesenswert machen. Das Buch greift die anfangs angesprochene Widerständigkeit und Pluralität der Stonewall Riots laufend auf, wenn auch oft nur implizit. Wo über Homonationalismus gesprochen wird, werden auch die „Abartige gegen Abschiebung“ Banner auf der Parade nicht verschwiegen. Wo Single Issue Politiken diskutiert werden, werden Ambivalenzen und Brüche angesprochen, die Spielräume zur Destabilisierung eröffnen. Gerade innerhalb des österreichischen Diskurses, der es auf derart bemerkenswerte Weise schafft, homonationalistische und homophobe Rhetoriken zu verknüpfen (ein anschauliches Beispiel lieferte heuer etwa der BZÖ-Politiker Martin Stiglmayr), erscheint mir eine solche Perspektive noch einmal bedeutender. Auch die linke Bewegungsgeschichte und ihre Einbettung in postkoloniale wie postnazistische Verhältnisse verlangt aus meiner Sicht nach einem Verzicht auf einfache Erklärungen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch ein Eingehen auf die Pinkwashing-Debatte gewesen. Aber gut, man* kann nicht alles haben. Dafür hat sich Queering Gay Pride entschieden, seinen Fokus auf Ost-West Grenzziehungen zu legen und deren Zusammenspiel mit Single Issue Politiken in den Blick zu bekommen; angesichts der momentanen Präsenz okzidentalismuskritischer Beiträge eine erfreulich umgängige Perspektive. Schlussendlich soll natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass im zweiten Kapitel ein Abstecher zur Femme-ininität gemacht wird – gerne mehr davon! Ach ja und: Ich mag das Cover. Aber da geht es wohl den meisten so.
Marty Huber: Queering Gay Pride. Zwischen Assimilation und Widerstand. Wien: Zaglossus 2013