Mehr Licht! Zur überfälligen Reform des Beiratssystems in der Kunstsektion
Als die IG Kultur Österreich im Sommer 2000 eine Umfrage unter 150 Kunst- und Kultureinrichtungen durchführte, stellte sich heraus, dass zahlreiche Institutionen und Projektträger über das genaue Schicksal ihres Antrages im Bundeskanzleramt nicht Bescheid wussten. Viele konnten nicht Auskunft darüber geben, ob ihr Ansuchen durch einen Beirat behandelt wird und in welchem Stadium der Erledigung es sich befindet.
Als die IG Kultur Österreich im Sommer 2000 eine Umfrage unter 150 Kunst- und Kultureinrichtungen durchführte, stellte sich heraus, dass zahlreiche Institutionen und Projektträger über das genaue Schicksal ihres Antrages im Bundeskanzleramt nicht Bescheid wussten. Viele konnten nicht Auskunft darüber geben, ob ihr Ansuchen durch einen Beirat behandelt wird und in welchem Stadium der Erledigung es sich befindet. Vor allem waren Diskrepanzen zwischen der Arbeitsweise und der Transparenz der verschiedenen Abteilungen und Beiräte innerhalb der Kunstsektion feststellbar.
Die strukturellen Zwänge, denen die öffentliche Verwaltung unterliegt, machen es ihren VertreterInnen schwer, auf die Anforderungen einer modernen demokratischen Gesellschaft zu reagieren. Die Innovationsdefizite der Verwaltungsabläufe schlagen auf die Außenwirkung der Verwaltungseinheit durch. Während politisch Verantwortliche und öffentlich Bedienstete öffentliche Steuergelder verwalten, bleibt die "Öffentlichkeit" vorsätzlich ausgegrenzt. Die Förderberichte, die frühestens eineinhalb Jahre nach dem Vollzug erscheinen, können zwar einen Überblick über alle positiven Förderentscheidungen geben, als politisches Kontrollinstrument sind sie allerdings unbrauchbar.
Von diesen Erfahrungen ausgehend soll hier das Beiratssystem der Kunstsektion beleuchtet werden. Die Mitglieder der IG Kultur Österreich stellen ihre Anträge hauptsächlich an den Beirat der Abteilung II/8 "Kulturinitiativen und spartenübergreifende Projekte". Diese AntragstellerInnen genießen das Privileg, auf telefonische Rückfrage von der zuständigen Abteilung darüber informiert zu werden, wann und ob ihr Ansuchen im Beirat behandelt wird. Wenn die AntragstellerInnen es wünschen - und von diesem Recht auch wissen -, können sie die sie betreffenden Abschnitte aus dem Beiratsprotokoll verlangen. Diesem Ansinnen wurde bisher auch immer nachgekommen. So kann auch jedeR AntragstellerIn selbst überprüfen, ob die genehmigte Summe der Beiratsempfehlung entspricht.
Neben diesem Beirat sind innerhalb der Kunstsektion noch Beiräte für die Sparten Bildende Kunst, Musik, Theater, Film, Medienkunst, Literatur und Fotografie eingerichtet. Da die IG Kultur Österreich bei ihrer Umfrage keine für diesen Artikel relevanten Aussagen im Zusammenhang mit der Arbeit der Beiräte in der Literaturabteilung erhielt, sind diese von der hier behandelten Zustandsbeschreibung auszunehmen. Überraschend transparent und serviceorientiert präsentierte sich die Arbeitsweise des Beirates für Fotografie. Dieser Beirat hatte sich die geringe Anzahl von Vereinen - neben den Einreichungen von EinzelkünstlerInnen - zu Nutze gemacht und gewährt jeder der geförderteren Fotoeinrichtungen die Möglichkeit, ihr Jahresprogramm vor dem Beirat persönlich vorzustellen. Vom Ergebnis der Beiratssitzung werden die Vereine - ohne selbst nachfragen zu müssen - sofort informiert. Bei nicht zufriedenstellender Beiratsempfehlung kann der Verein nochmals mit dem Beirat über die Entscheidung diskutieren.
Bei den Beiräten für Bildende Kunst, Musik, Theater, Film und Medienkunst herrscht oft Unklarheit und Intransparenz. Grundlegende Arbeitsbedingungen wie Geschäftsordnungen des Beirates, Protokolle, Protokollkontrolle, Budgethöhe und klare Zuständigkeiten sind nicht in allen Beiräten zu konstatieren und werden - wo sie fehlen - auch nicht übermäßig lautstark eingefordert. Die Praxis der Protokolleinsicht für die AntragstellerInnen existiert kaum.
Die Ernennung der Beiratsmitglieder erfolgt durch den zuständigen Minister bzw. Staatssekretär. Die Nominierungen erfolgen durch die Fachabteilungen, durch andere Beiratsmitglieder oder durch BeraterInnen des Ministers/Staatssekretärs, je nachdem, welche Variante gerade opportun erscheint. Öffentliche Ausschreibungen, Bewerbungen, Hearings oder Nominierungen durch Interessenvertretungen sind auf Bundesebene rechtlich und faktisch nicht vorgesehen. Die Funktionsperioden der Beiräte sind unterschiedlich und die Entscheidungen, welche Anträge in den Beiräten und in den Abteilungen bzw. Ministerbüros behandelt werden, für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar.
Hier wird auch die Verwaltung leicht zum Verwirrspiel. Typische, wenn auch nicht gerade erhellende Antworten auf konkrete Anfragen sind: "... ob der Antrag im Beirat ist, das weiß man nicht, es liegt ja soviel herum...", "... das muss man sich erst anschauen...", "... was der Beirat gesagt hat, kann man leider nicht weitergeben, aber eine Förderung wurde nicht ausgesprochen...". Hier stehen die AntragstellerInnen dann vor den sprichwörtlich unüberwindbaren Gummimauern und hoffen auf die inhaltliche Kompetenz der Beiratsmitglieder. Wohin das im schlimmsten Falle führen kann, sei hier an einem besonders schaurigen Beispiel eines inzwischen längst nicht mehr existierenden Vereins illustriert:
Der Verein - nennen wir ihn - "Niemandsland" erhielt seit ca. drei Jahren eine Strukturförderung (Förderung der Jahrestätigkeit) aus der Kunstsektion und jährlich Projektmittel von mehreren öffentlichen Stellen (Stadt, Land u.a.) sowie Sponsorgelder. Die in dem Verein tätigen Personen waren zum Großteil KünstlerInnen mit beachtlichen internationalen Erfolgen und nationalen Auszeichnungen. Im vierten Jahr seines Bestehens reichte der Verein zeitgerecht um die Jahressubvention ein und urgierte anschließend acht Monate lang telefonisch die Entscheidung seines Antrages beim zuständigen Abteilungsleiter. Vergebens. Im Herbst erschlich man sich Informationen über die physische Anwesenheit des Abteilungsleiters und erschien unangemeldet in den Amtsräumen. Die VertreterInnen des Vereins Niemandsland bestanden vor Ort auf einer Auskunft über das Ansuchen, hierauf wurden alle Mitarbeiter der Abteilung herbeigeholt und Sitzungsnotizen hervorgekramt. Nun endlich erfuhren die Antragsteller, dass im Dezember des Vorjahres (!) der Beirat beschlossen hatte, den Verein Niemandsland nicht mehr zu fördern. Eine schriftliche Erledigung ist nie erfolgt. Nachfragen bei Beiratsmitgliedern ergaben folgendes: das Ansuchen wurde dem Beirat vorgelegt, da aber das Ansuchen auf "Förderung der Jahrestätigkeit" lautete, musste es vom Beirat abgelehnt werden, da der Beirat nur über "Projektförderungen" entscheiden darf. Somit wurde einem inhaltlich nicht zuständigen Beirat ein Ansuchen vorgelegt, damit die inhaltlich zuständige Fachabteilung sich in ihrer Ablehnung auf eine "Empfehlung des Beirates" ausreden konnte. Keinem der Beiratsmitglieder ist damals dieser "Missbrauch" des Gremiums unangenehm aufgefallen, und/oder keiner hat es der Mühe wert gefunden, den Verein Niemandsland von dieser eigenwilligen Vorgangsweise zu informieren. Anhand dieser "true story" ist auch leicht vorstellbar, was ein selbstbewusster und mit dem relevanten strukturellen Backing ausgestatteter Beirat leisten könnte.
Daher hat die IG Kultur Österreich bereits 1999 einige radikale Ansätze zum Thema "Verbesserung des Beiratssystems" und "Transparenz von Entscheidungsabläufen" veröffentlicht. In der Publikation "Klimawechsel - Für eine neue Politik kultureller Differenz" findet sich dazu im Abschnitt über die "Gläserne Kulturverwaltung" folgende grundsätzliche Forderung: "Zeitgemäße Kulturverwaltung beruht auf radikaler Transparenz, uneingeschränkter Nachvollziehbarkeit und völlig klarer Abgrenzung der Aufgabengebiete der Beteiligten."
Die Forderung nach Transparenz zielt zumindest auf das Recht auf persönliche Einsichtnahme in die amtlichen Abläufe durch die Betroffenen. Die Gewährung dieses Rechtes sollte - nicht nur im Kulturbereich - ein demokratisches Grundrecht sein. Die den Betroffenen damit ermöglichte Veröffentlichung von amtlichen Erkenntnissen und die dadurch geschaffene Möglichkeit, öffentlich (und rechtlich) gegen Fehlentscheidungen oder Willkür vorgehen zu können, wäre das erwünschte emanzipatorische Ergebnis allgemeinerer Einforderungen von Transparenz.
Neben darüber hinausgehenden Verbesserungen der Verwaltungsstrukturen (rasche Information der AntragstellerInnen über den weiteren Aktenlauf, klare Regelungen von Zuständigkeiten etc.) bedarf auch die Arbeit der Beiräte einiger, bisher nicht vorhandener Grundlagen. Ein anzustrebendes Ziel ist, dass die Entscheidungen der Beiräte jedenfalls auf festgeschriebenen Förderkriterien beruhen (wie z.B. den Leitlinien der Abteilung II/8) und die Ausarbeitung und Publikation von strategischen Überlegungen für das relevante Feld in der Verantwortung der Beiräte liegt, die auch selbst ihre alljährlichen Zielkataloge erarbeiten.
Als eine weitere Grundlage müssen Geschäftsordnungen für die Tätigkeit der Beiräte gefordert werden, die Fragen der Bestellung, Dauer, Protokollführung, Abstimmungen etc. regeln. Auch der Informationsfluss (Ablauf und Umfang) von der Verwaltung zu den Beiräten und von den Beiräten zu den AntragstellerInnen muss verbindlich geregelt werden. Hier sind es vor allem auch die außerhalb des Beirates in der Fachabteilung getroffenen positiven wie negativen Entscheidungen, über die die Gremien informiert werden sollten. Wenn Beiräte nicht wissen, welche Ansuchen in ihrem jeweiligen Empfehlungsbereich sonst noch in den Abteilungen und Ministerbüros entschieden werden, verzerrt dies das kontextuelle Feld ihrer Entscheidungen. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn regelmäßige Berichte über alle abgelehnten und genehmigten Anträge übermittelt und die Höhe der jeweils verfügbaren Budgets ausgewiesen würden.
Hier sind nur einige erste Ansätze für dieses Themenfeld formuliert. Die IG Kultur Österreich wird mit ihren Mitgliedern über die Erweiterung und Präzisierung dieser Ansätze diskutieren und die Beiratsmitglieder einladen, an der Erfassung der Probleme und der Formulierung von Lösungen mitzuarbeiten. Denn es ist an der Zeit, diese Überlegungen gemeinsam mit den anderen Interessenvertretungen und deren Mitgliedern und Beiräten in einen konsensualen Forderungskatalog münden zu lassen, der die politisch Verantwortlichen zu einer Verbesserung der unübersichtlichen Struktur des Beiratssystems zwingt.
Gabi Gerbasits ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich.