Im Häfen der Ehe ... und kein Ende in Sicht: EHE OHNE GRENZEN (EoG) wird zwei!
Seit 1.1.2006 ist auch die Ehe mit einer ÖsterreicherIn keine Garantie mehr für einen legalen Aufenthalt. EhepartnerInnen werden gezwungen, ihren Antrag auf Niederlassungsbewilligung (vielfach zum zweiten Mal und ohne jede Garantie) aus dem Herkunftsland zu stellen. Das bedeutet erzwungene Rückreise und monatelanger Aufenthalt in einem Land, aus dem die meisten „Drittstaatsangehörigen“ mit guten Gründen geflüchtet sind.
Als direkte Reaktion auf das jüngste Fremdenrechtspaket haben sich im Frühling 2006 binationale Paare selbst organisiert und in der Initiative EHE OHNE GRENZEN (EoG) zusammengeschlossen. Seither kämpfen die AktivistInnen um ihre Rechte, um das Leben und Überleben in diesem Land. Ohne Unterlass. Zum Beispiel Woche für Woche vor dem Innenministerium. Seit 1.1.2006 ist auch die Ehe mit einer ÖsterreicherIn keine Garantie mehr für einen legalen Aufenthalt. EhepartnerInnen werden gezwungen, ihren Antrag auf Niederlassungsbewilligung (vielfach zum zweiten Mal und ohne jede Garantie) aus dem Herkunftsland zu stellen. Das bedeutet erzwungene Rückreise und monatelanger Aufenthalt in einem Land, aus dem die meisten „Drittstaatsangehörigen“ mit guten Gründen geflüchtet sind. Die österreichischen PartnerInnen sind unterdessen mit dem Erwirtschaften des vorgeschriebenen Mindesteinkommens für zwei Personen ausgelastet. Ihren EhepartnerInnen werden schließlich weder Niederlassungs- noch Arbeitsbewilligung erteilt … Petja Dimitrova und Daniela Koweindl haben Natalie (N), Sabine (S) und Angela (A) zu ihren Erfahrungen als EoG-Aktivistinnen befragt.
Kulturrisse:
Wer ist EoG?
N: Die Heterogenität von EoG hat unsere letzte Pressekonferenz gut veranschaulicht: Eine Österreicherin (im 8. Monat schwanger, ihr Mann hat vor kurzem den Ausweisungsbescheid erhalten) hat psychologische und wirtschaftliche Auswirkungen der Gesetzeslage ausgeführt. Eine andere hat Bilanz über Arbeit und Erfolge von EoG gezogen: 1000 Beratungsgespräche, 54 Fernsehauftritte, 43 Presseaussendungen, 7 Pressekonferenzen, 20 Treffen mit PolitikerInnen, unzählige Interviews. Eine dritte verurteilte die Kriminalisierung von so genannten Scheinehen und plädierte dafür, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben sollte, seinen „Schlüsselmenschen“ zu wählen – so wie sich auch die Wirtschaft ihre Schlüsselkräfte wählt.
Kulturrisse:
Binationale Ehe ist das zentrale verbindende Moment für eure Selbstorganisierung. Eine (vermeintliche...) Privatsache wird plötzlich zum Auslöser für politische Arbeit. Welche Politisierungsprozesse finden statt?
S: Neben langjährigen Polit-AktivistInnen gab es auch immer viele Frauen (es gab und gibt kaum Männer, die sich bei EoG engagieren), die sich erstmals aktiv mit politischen Themen befassten. Das geht nicht immer spannungsfrei von sich. Meistens gelang es jedoch Konflikte auch produktiv zu nutzen. Ich selbst hatte anfangs – nach vielen Jahren des politischen Engagements zu Themen, bei denen ich selbst nie existentiell betroffen war – Schwierigkeiten damit, dass ich auf einmal zu einer Problematik politisch aktiv bin, die so massiv mit meinem Privatleben zu tun hat.
A: Ich erinnere mich lebhaft an die Auseinandersetzung, ob wir dieselben Rechte auch für homosexuelle Paare fordern. Bei manchen stieß das auf Widerstand. Nach regen Diskussionen kam diese Forderung dann in unseren Forderungskatalog.
Kulturrisse:
Hat sich in Österreich während eurer zwei Jahre Arbeit politisch etwas verändert? Wie hat sich eure eigene Arbeit verändert?
N: Am Anfang haben wir viel probiert, sehr viele Termine wahrgenommen, jede Chance ergriffen unsere Anliegen und Forderungen zu platzieren. Aber du rennst gegen Beton, das Innenministerium ist ein Granitsteinbruch. Hättest du je ein Vertrauen in den Staat gehabt, angesichts dieser Feigheit und dieses Zynismus hättest du es definitiv verloren.
A: Bei manchen PolitikerInnen gab es in (informellen) Gesprächen Einsehen und Solidaritätserklärungen.
S: Aber leider hat sich nichts zum Positiven verändert – und dies trotz geänderter Regierungskonstellation.
A: Es gab einen Regierungswechsel? Das wäre mir beim Fremdenrecht nicht aufgefallen.
N: Die letzte große Ernüchterung war das VfGh-Erkenntnis vom 28.12.2007, in dem die Inländerdiskriminierung (gegenüber EU-BürgerInnen) nicht beanstandet wurde. Das war ein weiterer Schlag ins Gesicht, eine weitere „Staatswatschen“.
S: Viele sind eher entmutigt, manche resignieren. Gleichzeitig haben wir sehr viel Expertise erworben, sodass wir uns im Behördenkontakt etwas besser durchsetzen können, mögliche Probleme kennen und unser Wissen auch weitergeben können.
Kulturrisse:
Welche (Mainstream-)Medienerfahrungen macht ihr? Welche Strategien habt ihr entwickelt, um Verzerrungen und Instrumentalisierung vorzubeugen?
N: Was wir rüberbringen wollen ist: Der Einzelfall hat System! Nur jedes Medium geht damit anders um. Wie auf einer Skala: Mehr Einzelfall oder mehr System, mehr Homestory oder mehr Staatsrassismus.
A: Es ist immer ein Drahtseilakt zwischen Präsenz zeigen und Verhindern, dass die Berichterstattung in Tränendrüsenstorys abgleitet.
N: Ich stand selbst vor der Frage: Help TV – ja oder nein? Traue ich mir zu, in zwei Minuten Fragen einer einzelfallfixierten Moderatorin so umzubiegen, dass ich das System, sprich den Staatsrassismus zur Sprache bringe, oder nicht? Es gab genug Erfahrungen, wo das nicht funktioniert hat. Bei einem Ö3-Interview kam eine Frage persönlichster Art nach der anderen. Ich habe versucht, knallhart zu kontern und auf das System zu sprechen zu kommen. Irgendwann hat die Moderatorin das Mikro abgeschaltet und gemeint, Ö3 sei Mainstream, das Interview müsse „persönlicher“ werden. Vor kurzem wollte die ZiB2 einen Beitrag machen. Voraussetzung: Sie wollen ein Paar. Aber niemand war bereit. Dann gab es den Beitrag nicht.
S: Unseren Film "Die Liste" sehen wir auch als Reaktion auf diese „passive“ Medienpräsenz. Wir wollten diesem Fremdbild ein Selbstbild gegenüber stellen, einen „Autodokumentarfilm“.
Kulturrisse:
Ihr beruft euch auf das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Familienleben. Welche Konflikte bedeutet dieses Berufen auf die Institution Ehe in eurer politischen Arbeit?
N: Welche anderen Tickets haben wir denn? In unseren Staaten gibt’s Arbeitstickets und Ehetickets. Wenn du kein Siemensbruder bist und auch kein Folterinvalide und du trotzdem, als Nicht-EUler, in diesem Land Freunde und Lustigkeit gefunden hast, dann darfst du eigentlich nicht zweimal nachdenken, bevor du ein Ehe-Ticket löst ... Gleichzeitig geht es natürlich um ein Hijacken des Begriffs. Wenn es Bundestrojaner gibt, soll es auch Ehe-Trojaner geben! Wer hätte das gedacht: die Ehe als subversives Instrument! Wie erklären wir das bloß unseren Eltern mit ihrer 70er-Jahre Sozialisierung ...
A: Wenn du mit einem Menschen ohne EU-Pass in Österreich zusammenleben willst, hast du keine Wahlfreiheit beim Beziehungsmodell oder bei der Wohnform. Schon bei getrennten Schlafzimmern wittert die Fremdenpolizei „Scheinehen“ und kann sehr unangenehm werden. Auch hier ist EoG nicht homogen: Viele hätten auf jeden Fall geheiratet, viele fühlen sich vom Staat zwangsverheiratet.
N: In Zeiten, in denen europaweit „Scheinkinder“ das behördliche Vokabular durchgeistern oder Babys mit Abschiebebescheiden eingedeckt werden, zählt sowieso nichts außer das „geordnete Fremdenwesen“, sprich: Abschiebezahlen – da kann man gleich sagen: Österreich ist ein Scheinland und wir sind hier alle nur zum Schein.
Kulturrisse:
Wie weit ist EoG bereit, Forderungen über Partikularinteressen von binationalen Paaren hinaus mit zu tragen bzw. diese zu eigenen Forderungen zu machen?
S: EoG war von Beginn an in unterschiedlichen Netzwerken (Gleiche Rechte, Asylnetzwerk, ENARA, ...) vertreten. Solidarität mit anderen – v.a. mit ebenfalls von Fremdenrechtspaket Betroffenen – war uns immer wichtig. Aber es gab auch den Standpunkt, dass es gleichzeitig wichtig ist, unser ganz eigenes Thema in den Mittelpunkt zu stellen. Letztlich gilt es die Balance zu halten, zwischen dem Fokus auf das Spezifische und Engagement für das Allgemeine. Ich würde es für absolut nicht ausreichend erachten, wenn jetzt Sonderregelungen für (verheiratete) binationale Paare kommen und sonst alles unverändert bleibt.
N: Genau das ist aber bei den ausländischen ForscherInnen passiert. Da wurden in klassischem teile-und-herrsche Stil den gesellschaftlich einflussreicheren Kritikern Zugeständnisse gemacht.
Kulturrisse:
Wie relevant ist die Frage nach den (Alltags-)Beziehung zwischen den ProtagnistInnen in Bezug auf Geschlechterverhältnisse, Eurozentrismus, Exotismus?
A: Wie die einzelnen Mitglieder in ihren Alltagsbeziehungen miteinander sind, ist deren Privatsache. Seit November laden wir regelmäßig DiskutantInnen zu „Kamingesprächen“ ein, wo es auch um Fragen wie Exotismus, Eurozentrismus, Rassismus geht.
S: Die Auseinandersetzung mit Rassismus, Sexismus etc. – die sich ebenso wie eine starke soziale Komponente (eine/n „drittstaatsangehörigen“ Partner/in muss frau/man sich „leisten können“) in diesen Gesetzen sehr deutlich niederschlagen – war und ist immer präsent. Geschlechterverhältnisse sind schon deshalb ein präsentes Thema, weil sich seitens der ÖsterreicherInnen fast nur Frauen engagieren. Die Männer scheinen eher individuelle Lösungen zu suchen und dürften damit bei den Behörden fallweise auch durchkommen – während Frauen wiederum von den Behörden immer wieder mit Sexismus konfrontiert sind.
Kulturrisse:
Wie sieht es mit internationaler Vernetzung aus? Welche Erfahrungen und Tendenzen sind in anderen Ländern innerhalb der Festung EUropa zu verzeichnen?
N: Ich war im Jänner bei einem Vernetzungstreffen in Paris. Für viele waren meine Erzählungen ein deja-vu! Vor zehn bis 15 Jahren haben viele geglaubt, etwas erreicht zu haben, jetzt sind sie wieder am selben Punkt angelangt. Du kannst froh sein, wenn es irgendwo gelingt, zur letzten Gesetzesverschlechterung zurückzukehren. Aber es gibt auch Leute, die optimistisch sind. Die Europäische Kommission prüft z.B. gerade, ob durch die Gleichschlechtbehandlung von binational verheirateten EU-BürgerInnen in Österreich EU-Recht verletzt wird. Wenn ja, wäre ein Vertragsverletzungsverfahren die Folge. Die Aufforderung zur Stellungnahme ans Innenministerium ist bereits erfolgt. Perspektiven stehen im Raum, aber wir ketten uns seit Jahren an Perspektiven, die sich immer weiter nach hinten verschieben.
Kulturrisse:
Was steht aktuell an? Wie geht die Arbeit von EoG weiter?
A: Wenn es weitergehen soll, steht die Finanzierungsfrage an erster Stelle. Gute Ideen dazu sind sehr willkommen. Jetzt sind wir gerade einmal bis etwa Ende Mai abgesichert.
N: Versuche öffentliche Gelder aufzutreiben, waren bislang erfolglos. Gleichzeitig schickt die Caritas Leute zu uns, weil wir eine speziellere Beratung bieten.
A: Nicht nur die Caritas! Fast alle NGOs schicken binationale Paare zur EoG-Beratung. Aber auch das Bundesasylamt oder UBAS-MitarbeiterInnen – das finde ich besonders charmant. Nur der öffentliche Wille uns finanziell zu fördern ist gleich Null. Ideen für die Zukunft hätten wir noch viele. Ein Buchprojekt ist in der Konzeptionsphase. Eine Plakataktion war angedacht. Den Film würden wir gerne fortsetzen. Ein großes Treffen steht an. Die Kamingespräche gehen weiter. Die Leute rennen mir wegen Beratungen noch immer die Türen ein. Ende April wird die Zwei-Jahres-Demo stattfinden.
EoG