Die Leere der Kulturpolitik
Kulturpolitisch Interessierte treffen wir heutzutage am Weg von einer IMAG in die andere. Und allein die Existenz dieser „Interministeriellen Arbeitsgruppen“ wird als Fortschritt gefeiert. Weil Ministerien offensichtlich im Regelfall nicht miteinander reden.
Schon wieder eine Kolumne zur Kulturpolitik ... Könnten wir nicht vielleicht über Unipolitik schreiben? Immerhin hat der Protest der Studierenden an der AKBild breite nationale und auch internationale Bewegungen ausgelöst, und das Audimax ist seit über einem Monat besetzt.
Aber Kulturpolitik? Kulturpolitisch Interessierte treffen wir heutzutage am Weg von einer IMAG in die andere. Und allein die Existenz dieser „Interministeriellen Arbeitsgruppen“ wird als Fortschritt gefeiert. Weil Ministerien offensichtlich im Regelfall nicht miteinander reden. Wenn sie dann nicht nur miteinander reden, sondern sogar den Betroffenen zuhören, und wenn es gelingt, die SozialpartnerInnen einzubeziehen – dann ist dem Jubel kein Ende, und alle Forderungen nach Ergebnissen treten hinter die Begeisterung über den Prozess zurück. Soweit, so polemisch. Und natürlich haben wir uns immer gewünscht, dass sich die Politik dem Druck der Straße beugt. Also dem Druck unserer Transparente, auf denen unsere Forderungen klar, deutlich und für jede/n verständlich stehen. Nur: Was genau soll da stehen? „Nieder mit Bologna!“ – Okay, aber was kommt dann? Die Rückkehr zur autonomen Professorenhoheit? „Nieder mit der Mehrfachversicherung!“ – So weit, so gut, aber wie funktioniert das? Und was bedeutet es für den/die Einzelne/n? „Für ein strenges Urheberrecht!“ – Gut, aber ist das wirklich in jeder Konsequenz wünschenswert?
Die AudimaxistInnen geraten gerade an die Grenzen der Möglichkeiten ihres lustvollen Aktivismus. Das ist normal und nicht weiter problematisch, wenn neue Möglichkeiten des Widerstands gesucht und gefunden werden. Derer gibt es viele – vielerorts werden Formen des Lehrens und Lernens entwickelt, die sich weder traditionellen Hierarchien noch zeitgenössischer Kapitalismustauglichkeit verschreiben.
Die Interessenvertretungen der Kunst- und Kulturschaffenden haben sich meist zwar in den letzten Jahren weniger zur grundsätzlichen Problematik von Repräsentation überlegt, was ihrem Auftrag in den IMAGs aber keinen Abbruch zu tun scheint. Es gibt ja auch wirklich viel zu tun, und so lassen sie sich zurzeit ihren Arbeitsrhythmus von den Zeitplänen von BeamtInnen und PolitikerInnen vorschreiben. Das ist auch normal, aber hochproblematisch und wird in einer alten Begrifflichkeit als „Marsch durch die Institutionen“ beschrieben – der meist dazu führt, dass die Marschierenden erschöpft sind und die Institutionen so bleiben, wie sie waren. Sodass sich die IMAG zu Gleichstellungsfragen sofort wieder aufgelöst hat. Und die Verwertungsgesellschaften schnell und diskussionslos in den Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums gewandert sind.
Doch da ist noch die Frage der Sozialversicherungen, für die es früher mal eine einfache Lösung zu geben schien: Keine Mehrfachversicherungen, One-Stop-Shops für Beratung und generell mehr Leistung für weniger Beiträge – die Eier legende Wollmilchsau, die ständig an die Grenzen der bestehenden Systeme stößt. Und daher nach Konkretisierung verlangt. Welche Fallen die griffige Lösung „KünstlerInnensozialversicherung unter einem Dach“ eröffnet, wird erst langsam klar. Und wie diese Fallen zu vermeiden sind, ohne dass die existierenden Modelle als beste aller möglichen Welten verkauft werden, ist eine ungelöste Frage – um die sich gerade die ExpertInnen bemühen. Was sich daraus lernen lässt? Wenig Verallgemeinerbares – außer vielleicht, dass es keine One-Stop-Shops für politische Fragen gibt. Ohne Druck von der Straße kommt es zu keinen Verhandlungen – doch dann kommen die Mühen der Ebenen, Instrumentalisierungsbegehren, Anpassung an die Spielregeln der Mächtigen, und – um einen ehemalige hochrangigen Politiker dieses Landes zu zitieren – damit wird alles sehr kompliziert.