Wohin die EU gehen soll und welche Rolle die Kultur dabei spielt - das sagen die SpitzenkandidatInnen der EU-Wahl
Wir haben die SpitzenkandidatInnen der EU-Wahl 2019 zu ihren Positionen zur europäischen Kulturpolitik befragt: In welche Richtung soll Europa gehen? Und welchen Stellenwert hat die Kultur?
Hier kommt ihr zu den Antworten der sieben in Österreich zu EU-Wahl antretenden SpitzenkandidatInnen, sortiert nach den Wahlergebnissen der letzten EU-Wahl. Sie wurden leicht redigiert, so sich Tippfehler eingeschlichen haben und gekürzt, wenn die Antworten den Rahmen gesprengt haben.
- Othmar Karas für die ÖVP
- Andreas Schieder für die SPÖ,
- Harald Vilimsky für die FPÖ,
- Werner Kogler für die GRÜNEN,
- Claudia Gamon für die NEOS,
- Johannes Voggenhuber für die Initiative 1 EUROPA,
- Katerina Anastasiou und Katalin Erdödi für die Liste KPÖ PLUS - European Left.
Othmar Karas ist der Spitzenkandidat für die ÖVP.
"Europa muss noch demokratischer werden und den Menschen in den Mittelpunkt des gemeinsamen Europas stellen. Denn die Europäische Union hat nur Zukunft, wenn sie die Bürger zu Beteiligten macht und Antworten auf die globalen Herausforderungen des Kontinents gibt. Dazu müssen wir Europa handlungsfähiger machen. Die EU darf sich nicht von den Vetorechten einzelner Mitgliedstaaten blockieren lassen. Am Einstimmigkeitsprinzip scheitert derzeit zum Beispiel ein effektiver Außengrenzschutz. Nur wenn wir als Kontinent gemeinsam handeln, können wir unseren Wohlstand, unsere Arbeitsplätze, unser Wirtschaftswachstum und ein vielfältiges, freies kulturelles Leben verteidigen.
"Die Kultur ist das Nervensystem Europas und der Geschichte des Kontinents. Die Vielfältigkeit und Einzigartigkeit der Kulturen Europas hat den Kontinent zu dem geformt, was er heute ist. Wir wollen das immaterielle Erbe Europas und seine vielfältigen Identitäten bewahren und bereichern."
Andreas Schieder ist Spitzenkandidat der SPÖ.
"Wir brauchen ein Europa zum Verlieben, eine europäische Werte- und Solidargemeinschaft, mit der sich die Menschen identifizieren können. Dafür muss die EU sozialer und gerechter werden - für die Menschen da sein, nicht für die Konzerne.
Für das europäische Friedens- und Einigungsprojekt spielt Kultur eine wesentliche Rolle. Kultur leistet einen wichtigen Beitrag zur europäischen Integration. Nicht zuletzt die Reaktionen auf den Brand der Kathedrale Notre-Dame de Paris haben gezeigt, dass es ein gemeinsames europäisches kulturelles Erbe gibt. Wir brauchen daher eine Stärkung des europäischen Kulturraums und Investitionen in das zeitgenössische kreative und künstlerische Schaffen, um das Gemeinsame, das Verbindende der europäischen Staaten noch stärker in den Vordergrund zu stellen. Wichtig wäre dazu auch eine Stärkung und bessere Vernetzung der europäischen Medienlandschaft."
Harald Vilimsky ist Spitzenkandidat der FPÖ.
"Wir wollen eine EU, die abgeht von ihrem derzeitigen Zentralisierungskurs, der darauf ausgerichtet ist, immer mehr Kompetenzen von den Mitgliedsstaaten nach Brüssel zu verlagern. Deshalb setzen wir uns für eine Reform der Union ein, die sich künftig auf weniger Dinge fokussieren soll – insbesondere in jenen Bereichen, wo es um die Einlösung des Versprechens von Frieden, Freiheit und Wohlstand geht.
Europa ist und war immer ein blühender Kontinent, was die Kultur angeht. Der kulturelle Reichtum und die Schaffenskraft hängen dabei ganz stark auch mit der reichhaltigen Vielfalt Europas zusammen, die sich befruchtend ausgewirkt hat. Wir wünschen uns, dass diese Vielfalt und dieser Reichtum auch in Zukunft erhalten bleiben."
Werner Kogler ist der Spitzenkandidat der GRÜNEN.
"Die EU muss sich zu einer vollwertigen supranationalen Demokratie weiterentwickeln, in der alle öffentlichen Entscheidungen transparent von gewählten und politisch verantwortlichen Vertreterinnen und Vertretern getroffen werden.
Gerade in Krisenzeiten zeigt/zeigte sich in der EU, dass das Fehlen einer sinnstiftenden gemeinsamen Vision und das offensichtliche Fehlen einer europäischen Identität ein nicht zu unterschätzender Teil der Probleme bzw. ein wichtiger Grund für den Mangel an Solidarität und Bereitschaft zur gemeinsamen Problemlösung sind. Der Weg zu einer solchen europäischen Identität kann und muss über die Kultur bzw. über die Summe ihrer Kulturen führen. Nicht ohne Grund sind die Kultur und die europäische Kulturpolitik fest in den Verträgen der EU verankert."
Claudia Gamon ist Spitzenkandidatin der NEOS.
"Unsere Vision sind die Vereinigten Staaten von Europa. Sie ermöglichen uns als Europa, souverän und handlungsfähig zu sein. Wir müssen uns den Populisten und Opportunisten in den Weg stellen, um den europäischen Lebensstil zu verteidigen. Kämpfen wir gemeinsam für ein Europa von morgen, in dem Frieden, Freiheit und Fortschritt garantiert sind.
Kultur spielt für Gesellschaften und Regionen immer eine sehr wichtige Rolle – ohne Kultur geht es nicht. Kultur kann ein wichtiger Beitrag zu einer europäischen Identität und Integration sein. Ein lebendiges kulturelles Umfeld ist ein essenzieller Baustein für eine funktionierende Gesellschaft."
Johannes Voggenhuber ist der Spitzenkandidat für die Initiative 1 EUROPA.
"Wir feiern die Republik Europa. Ein gewählter Konvent hat eine gemeinsame Demokratie, eine Sozialunion und eine Friedensordnung geschaffen. Eine europäische Volksabstimmung hat sie angenommen. Ökologische Steuern und Digitalabgaben ersetzen die Steuer auf Arbeit. Die Energiewende hat die Klimaerwärmung gestoppt. Die Überwachung wurde abgebaut. Die Regionen erhielten neue Rechte zur Selbstverwaltung. Afrika ist ein enger Partner. Die Werte Freiheit, Gleichheit und Solidarität gelten weltweit.
Würdigung des kulturellen Erbes und der Vielfalt Europas. Die EU ist bestrebt, das gemeinsame kulturelle Erbe Europas zu bewahren sowie Kunst und Kreativwirtschaft in Europa zu fördern. Aber auch wie im Vertrag von Lissabon (Art 167) zu Kunst & Kultur ausgeführt." Andere Faktoren in Europa welche ebenso zur Rolle der Kultur gehören (Auszug): Kultur der wichtigste Faktor für das Zugehörigkeitsgefühl zur EU, als drittgrößter Arbeitgeber in der EU und als Faktor für die Lebenszufriedenheit und das psychologische Wohlbefinden.
Katerina Anastasiou (Listenplatz 1) und Katalin Erdödi (Listenplatz 5) für die Liste KPÖ PLUS - European Left.
"Nach Links. Das Europa, das wir wollen, existiert noch nicht. Die Europäische Union hat strukturelle Probleme, die von den etablierten Parteien verschwiegen oder gar oft ausgenützt werden um knallharte, neoliberale und rassistische Politik auf Kosten der Menschen durchzusetzen. Wir wollen ein Europa mit einem voll funktionierenden Parlament, das den sozialen Bewegungen gegenüber Rechenschaft ablegt. Das Europa, das wir wollen, ist ökologisch, demokratisch, feministisch und sozial: ein politischer Raum wo Menschenrechte oberstes Gebot sind.
Kultur spielt eine zentrale Rolle für die europäische Identität: es bildet die kulturelle Vielfalt der Länder, Regionen und Gemeinden Europas ab, es ist ein Bekenntnis zur Diversität und Mehrstimmigkeit. Gleichzeitig ist es auch ein wirksames Instrument der kritischen Reflexion und des gesellschaftlich Imaginären, mit dem einerseits neue Zukunftsvisionen entworfen, andererseits herrschende Vorstellungen europäischer Kultur, z.B. unser Eurozentrismus hinterfragt, und die Geschichte Europas – unter anderem seine imperialistische, koloniale und faschistische Vergangenheit – kritisch untersucht und aufgearbeitet werden kann."
Mehr über die Positionen der KandidatInnen zu Kulturfragen:
Alle Antworten in voller Länge
Zur Richtung in die Europa gehen soll und zur Rolle der Kultur
Welche Rolle die EU für Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen spielen soll
Wie das Kulturbudget aussehen soll und wie Creative Europe ausgerichtet werden soll
Foto: Collage, Hintergrundbild unter der Lizenz CC-BY-4.0: © European Union 2019 – Source: EP