TTIP und Kultur

Seit Juli 2013 verhandeln die USA und die EU hinter fest verschlossenen Türen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Was allerdings doch an Informationen über TTIP aus den Verhandlungsbunkern tritt, ist überaus besorgniserregend für die europäische Kulturszene.Die EU ist auf dem besten Weg die kulturelle Vielfalt Europas aufs Spiel zu setzen.

Seit Juli 2013 verhandeln die USA und die EU hinter fest verschlossenen Türen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Was allerdings doch an Informationen über TTIP aus den Verhandlungsbunkern tritt, ist überaus besorgniserregend für die europäische Kulturszene.Die EU ist auf dem besten Weg die kulturelle Vielfalt Europas aufs Spiel zu setzen.

Daher hat die IG Kultur Österreich am 11.11.2014 untenstehendes Schreiben zum TTIP an die KultursprecherInnen aller Parlamentsparteien, den Kulturminister Ostermayer und seine ReferentInnen, den Wirtschaftsminister Mitterlehner und seinen Referenten für Außenhandel sowie an Abgeordnete im EU Parlament im Kulturausschuss und Ausschuss für internationalen Handel geschickt.

 

Am selben Tag noch haben Michel Reimon und das Büro vom Wirtschaftsminister und Vizekanzler Mitterlehner geantwortet. Michel Reimon, der Grüne EU Abgeordnete, bedankte sich für die Argumente, die seine grundsätzlich ablehnende Haltung gegen TTIP zusätzlich unterstützen. Das Büro Mitterlehner hat die IG Kultur Österreich am 15.11.2014 zu einem Termin mit dem zuständigen Referenten für Außenwirtschaft und Europäische Integration, Christian Bahoo eingeladen, den wir gemeinsam mit der Vertreterin der Kontaktstelle für kulturelle Vielfalt wahrgenommen haben. Dezidiertes Ziel des Gesprächs war der Austausch über die Bedenken und mögliche Lösungsansätze.

 

Andiskutiert wurden:

  • Die Notwendigkeit, audiovisuelle sowie kulturrelevante Sektoren aus den TTIP Verhandlungen auszuklammern;
  • mögliche Ansätze, diese Ausklammerung angesichts des fortgeschrittenen Verhandlungsstadiums in TTIP entsprechend zu verankern;
  • Chancen, TTIP mit dem UNESCO-Übereinkommen in Einklang zu bringen, angesichts der Tatsache, dass die USA das Übereinkommen weder ratifiziert haben noch inhaltlich unterstützen;
  • Bedarf nach weiterem Informationsaustausch und vertiefenden Folge-Gesprächen, unter Einbeziehung der Key-Stakeholder aus anderen Kultursektoren.

Insgesamt verlief das Gespräch positiv. Um vertiefende Hintergrundinformationen zur Erläuterung der Position des Kultursektors als Grundlage für ein Gespräch in größerer Runde wurde seitens des Ministeriums gebeten. Die anderen Parteien haben bisher nicht geantwortet.

 

 

Die Youtube-Playlist der IG Kultur zum Thema TTIP: 

 

 


SCHREIBEN DER IG KULTUR ÖSTERREICH ZU TTIP UND KULTUR

Gemeinsam mit ihren Länderorganisationen repräsentiert die IG Kultur Österreich 800 Kulturvereine. Als bundesweite Interessenvertretung ist es eine ihrer zentralen Aufgaben, aktuelle politische Entwicklungen kritisch auf ihre Konsequenzen für die freie Kulturszene zu beobachten. Deshalb möchte die IG Kultur Österreich ihre massiven Bedenken und ihren Widerstand zu den laufenden Handelsverhandlungen der EU mit den USA um eineTransatlantische Investitions- und Handelspartnerschaft (TTIP)ausdrücken.

TTIP wurde europaweit bereits mehrfach von ExpertInnen und Kulturschaffenden kritisiert. Die IG Kultur Österreich stimmt in den bestehenden kritischen Tenor mit ein und möchte den Finger auf nachfolgende wunde Punkte legen, die auch schon von den ExpertInnen der Klausurtagung zum UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen sowie von den Nordic Councils of Artists hervorgehoben wurden.

Die IG Kultur Österreich stellt sich vehement gegen TTIP, weil...

    • die im UNESCO Übereinkommen formulierten Ziele und Verpflichtungen, insbesondere die Anerkennung des legitimen Rechts der EU und ihrer Mitgliedstaaten, Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, die sie jetzt oder zukünftig für erforderlich halten, auf ihrem Hoheitsgebiet zu ergreifen, durch TTIP unterwandert werden;
    • die latente Gefahr nachteiliger Zugeständnisse im von den Verhandlungen nicht explizit ausgeklammerten Kulturbereich besteht;
    • überaus fraglich ist, ob die Ausnahme audiovisueller Medien adäquat vertreten wird, die eine breite und zukunftssichere Exklusion audiovisueller Medien garantiert, die sowohl Technologie und Plattform neutral ist als auch Online Services beinhält;
    • der gesamte Verhandlungsprozess von Intransparenz gekennzeichnet ist, die Europas Zivilgesellschaft von jeglicher Partizipation ausschließt.

Kulturelle Vielfalt

 

Wesentliches Ziel des UNESCO Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen ist die Schaffung von Rahmenbedingungen, die das Entstehen einer Vielfalt künstlerischen und kulturellen Ausdrucks ermöglichen und damit die nachhaltige kulturelle Entwicklung aller Staaten fördert. Artikel 5.1 bekräftigt das souveräne Recht der Vertragsparteien, ihre Kulturpolitik zu formulieren und umzusetzen sowie Maßnahmen zu beschließen, um die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu schützen und zu fördern. Artikel 20 regelt das Verhältnis des Übereinkommens zu anderen Verträgen und legt darin fest, dass die Vertragsstaaten, beim Eingehen anderer Verträge, das UNESCO Übereinkommen diesen nicht unterordnen, sondern die einschlägigen Ziele und Verpflichtungen berücksichtigen.

 

Da die Kernprinzipien von Freihandelsabkommen, wie etwa freier Marktzugang und Abbau nicht tarifärer Handelshemmnisse, auf die Beseitigung diskriminierender Regelungen für alle beteiligten Vertragsparteien ausgerichtet sind, besteht ein klares Risiko für die Förderung der kulturellen Vielfalt in Europa.

 

Zwar sichert die Europäische Kommission in ihrem Positionspapier zu TTIP und Kultur zu, dass die Förderungspraxis der Mitgliedstaaten durch das Abkommen nicht in Frage gestellt wird und schlägt weiter vor, in der TTIP Präambel einen Verweis auf das Recht der Staaten, Maßnahmen zur Förderung kultureller Vielfalt gemäß dem UNESCO Übereinkommen zu ergreifen, verankern zu wollen. Allerdings haben die USA das UNESCO Übereinkommen weder ratifiziert noch sind Bestimmungen in der Präambel rechtsverbindliche Vertragsbestandteile.

 

Daher könnten bestehende Förderungsschemen und Urheberrechtsregeln der Mitgliedstaaten von TTIP negativ betroffen sein sowie lokale und regionale Beschäftigung im Kulturbereich Schaden erleiden. All diese potentiellen Folgen wären konterproduktiv für den Schutz kultureller Vielfalt und die Stärkung der Schaffensbedingungen von KünstlerInnen und des Kreativsektors in Europa.

 

Audiovisions- und Kultursektor

 

Die Liberalisierungsbemühungen von EU und USA waren darauf ausgerichtet, ein umfassendes Freihandelsabkommen zu formulieren, das alle Bereiche der Gesellschaft, also auch den Audiovisions- und Kultursektor, einschließt. Aufgrund des Widerstands von 14 KulturministerInnen und des Europäischen Parlaments, die eine Exklusion des Audiovisions- und des Kultursektors gefordert hatten, hat sich der Rat im Juni 2013 immerhin auf eine Ausnahme des Audiovisionssektors im Verhandlungsmandat geeinigt.

 

Aufgrund nicht vorhersagbarer Entwicklungen im Audiovisionssektor ist jedoch ausgesprochen fraglich, ob diese Ausnahme überhaupt zukunftssicher sowie Technologie und Plattform neutral verankert werden kann.

 

In Übereinstimmung mit dem UNESCO Übereinkommen steht darüber hinaus die Notwendigkeit, bei Schutz und Förderung der kulturellen Vielfalt die gesamte kulturelle Wertschöpfungskette zu berücksichtigen – von der kreativen Schöpfung, über Produktion, Verbreitung und Vertrieb bis zum Zugang zu Kunst und Kultur. Damit geraten auch jene Dienste in den Blick, die für den Transport, die Erbringungen, den Zugang, die Auffindbarkeit sowie allgemein die Nutzungsmöglichkeit kultureller Angebote relevant sind. Da der Kultursektor nicht explizit von den TTIP Verhandlungen ausgenommen ist, ist der kulturpolitische Regelungsspielraum in diesen Bereichen gefährdet, was wiederum negative Konsequenzen für den Kulturbetrieb nach sich zieht.

 

Transparenz

Die bislang praktizierte Geheimpolitik der Verhandlungsparteien untergräbt einerseits die Grundfesten der Demokratie und widerspricht andererseits Artikel 11 des UNESCO Übereinkommens, das die grundlegende Rolle und aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft beim Schutz und der Förderung kultureller Vielfalt untermauert. Als engagierter Akteur der Zivilgesellschaft kann die IG Kultur Österreich TTIP nicht akzeptieren und fordert daher einen sofortigen Verhandlungsstopp.