Kulturarbeit im arabischen Raum

Jordanien, Syrien, Palästina. Drei Nachbarn in unterschiedlichen politischen Situationen, verbunden durch Sprache und arabische Kultur. Die neuen und alten Konflikte im Nahen Osten stellen viele Menschen immer wieder vor neue Herausforderungen und beeinflussen den hiesigen Diskurs. Wie stark die Auswirkungen auf Kunstschaffende sind und wie Kulturarbeit im Allgemeinen gestaltet wird, berichten der jordanische Kurator der Stiftung Darat al Funun Mohamnad Shaqdih, die syrische Regisseurin Oula Alkhatib und der aus Palästina stammende Künstler Osama Zatar.

Kulturarbeit im arabischen Raum

Global Arab World

 

„…you can go to the street and see people. For me it’s like Berlin or any other big city like Istanbul or London here in Amman” erzählt Mohamnad Shaqdih. Der Kurator der jordanischen Stiftung Darat al Funun lehnt sich zurück und betrachtet die vielen unterschiedlichen Kunstbücher in seinem Büro. Das Haus der Stiftung liegt am Hang eines Hügels in Amman, im Bezirk Jabal al Weibdeh. Von der anliegenden Terrasse im blumenübersäten Garten, hat man einen wundervollen Blick über die Stadt. Die Stiftung bezeichnet sich selbst als home for the arts and artists from the Arab world und wird diesem gehobenen Anspruch durch Ausstellungen, experimentelle Projekte, Talks, Filme und Workshops gerecht. Das Jahr 2017 thematisiert vor allem palästinensische KünstlerInnen und widmet sich unter anderem der ersten arabischen Fotografin Karimeh Abbud, zeigt Soundinstallationen, gemacht aus Wüstensteinen vom Künstler und Architekten Ammar Khammash und präsentiert die Premiere des Animationsfilms Memory of the Land von Samira Badran, in dem sich der Hauptcharakter körperlich geschunden und strukturell eingesperrt, in einem Checkpoint des israelischen Militärs gefangen sieht.

Amman zählt über vier Millionen EinwohnerInnen, aber schmückt sich durch die umliegenden Hügel mit ganz eigener Gemütlichkeit. Die Häuser an den Hängen sind creme weiß bis beige und werden dadurch fast eins mit dem abschüssigen Gestein, die Märkte sind gefüllt mit frischen Lebensmitteln, Trockenfrüchten, bunter Kleidung, glitzerndem Klimbim und in den Straßen stehen nachmittags die hupenden Autos und blockieren sich schimpfend gegenseitig vor der Weiterfahrt. Im Stadtzentrum gibt es eine hochgelegene Zitadelle und ein altes römisches Theater, während die King Abdullah II Str. eine moderne, 160 000 m2 große Einkaufsmall ziert. Jabal al Weibdeh, Heimatbezirk der Stiftung Darat al Funun, ist durchzogen von schicken Cafés, hippen Shishabars und kreativen Imbissbuden. Die Stimmung der Stadt wirkt ausgewogen, kosmopolitisch. Jordanien gilt als die Schweiz des Nahen Ostens. Derzeit beherbergt das Land offiziell rund eine Millionen Geflüchtete, gezählt auf neun Millionen EinwohnerInnen. 650 000 davon haben syrische Wurzeln und bereits in den vierziger und sechziger Jahren kamen Hunderttausende aus Palästina und 500 000 weitere während des Irakkriegs. Verschiedenste Entwicklungshilfsorganisationen aus Europa und anderen Teilen der Welt haben sich inzwischen vor Ort angesiedelt, leisten Unterstützung und nehmen Einfluss auf den hiesigen politischen Diskurs. Absurderweise sind die Hilfe leistenden Länder besonders solche, die zur desolaten Situation der Region beigetragen haben. So ist zum Beispiel die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, kurz GIZ, die staatliche Entwicklungszusammenarbeitsorganisation der deutschen Regierung, grundlegend an der Koordination und dem Ausbau palästinensischer Flüchtlingsheime beteiligt, während die israelische Politik nach wie vor offiziellen Rückhalt erfährt.


Die internationalen Gäste werden zwar willkommen geheißen aber gleichzeitig kritisch beäugt, tun sie sich doch mitunter schwer, sich an die Verhältnisse und die Kultur vor Ort anzupassen. Die gewisse westliche Überheblichkeit ist spürbar, wodurch gemeinsame Krisenbewältigung erschwert wird. Flüchtlingsheime besiedeln die Stadtränder von Amman und wachsen seit Jahrzehnten zu steinernen Dörfern, die eine Permanenz mit sich bringen. Viele Menschen leben hier schon seit über 40 Jahren, zum Teil geflohen vor israelischer Siedlungspolitik, immer mit dem Hintergedanken der baldigen Rückkehr in die Heimat. Integration fällt schwer, da die Endgültigkeit des Aufenthalts oft nicht akzeptiert wird und die Hoffnung besteht, nicht länger der gesellschaftlichen Unterschicht anzugehören, sondern stattdessen heimzukehren, in die Strukturen der Erinnerung.

Shaqdih berichtet, dass sich die Krise in der Kunst vieler arabischer Länder bemerkbar macht und dadurch sichtbar wird, was sich in den Köpfen abspielt. Auch der Künstler Osama Zatar, der vor neun Jahren aus Palästina nach Österreich zog, reflektiert seit etwa zwei Jahren Religion und palästinensische Kultur in seiner Kunst. Seit der IS an Macht gewonnen hat, versucht er Kritik an den Geschehnissen in seiner Heimat zu üben. Es ist ihm wichtig, um zu zeigen, dass der Diskurs möglich ist und, weil Kritik von innen meistens besser angenommen wird, als von außen.  Als er noch in Palästina lebte, orientierte sich seine Arbeit stärker am Surrealismus, aber seit er in Europa ist, hat er das Gefühl, direkter sein zu wollen, obwohl, oder eben, weil die Zeiten so abstrakt sind. Er verarbeitet seine Kindheitstraumata vor allem in Skulpturen und Objekten und schafft es dadurch, diese besser zu bewältigen. Der Konflikt steht und stand für die meisten palästinensischen KünstlerInnen immer im Zentrum politischer Auseinandersetzungen, so dass es ohne dessen Lösung schwerfällt, über diesen hinaus zu gehen, um sich mit Themen wie Gender oder Anderem zu beschäftigen. Nicht nur die palästinensische Krise steht hierbei im Mittelpunkt, sondern für Künstler wie Zatar wird das Thema Gewalt umfassender. Er begann sich zu fragen, welches künstlerische Design Waffen haben, welche Ästhetik sich dahinter verbirgt. Er kam zu dem Schluss, dass es besonders um die Sexiness geht, um die einfache Nutzung und die Indirektheit des Tötens. In seinen Augen würde er an dem Versuch scheitern, sich gegen die Nutzung von Waffen zu stellen, also begann er selbst welche zu bauen und sie zu modifizieren, sie ihres ursprünglichen Sinnes zu entfremden.

Oula Alkhatib kam vor zwei Jahren aus Damaskus nach Wien und arbeitet als Regisseurin. Erst vor Kurzem fand die Uraufführung ihres Theaterstücks Flüchtling im Wunderland statt, in dem auch Zatar mitspielt (auch zu sehen bei der Europäischen Theaternacht). Sie betont die grundlegende Bedeutung von Kontakten in der syrischen Kulturbranche und die Sexualisierung ihrer Rolle als Frau, als Beschleuniger erfolgreicher Arbeit. Die bereits vor einigen Monaten getätigte Aussage, knüpft damit an den aktuellen Hollywood Diskurs an und zeigt, dass die strukturellen Unterschiede von West und Ost mitunter kleiner sind, als manch einer vermuten mag.