Identity kills. Gegen die Instrumentalisierung der Kultur für das in Europa grassierende Gespenst der Identität
Aus: Einheit Europa. Kulturrisse. Dezember 1998.
"... Der Kulturentwicklungsplan dient vor allem der Entwicklung einer Linz-spezifischen kulturellen Corporate Identity...”, diese unverwechselbare Identität ”wiederum als Waffe in der zunehmenden Städtekonkurrenz im Europa der Regionen”. Der stolze Linzer Bürgermeister Dobusch bringt die Sache auf den Punkt. ... Es ist der erklärte
"... Der Kulturentwicklungsplan dient vor allem der Entwicklung einer Linz-spezifischen kulturellen Corporate Identity...”, diese unverwechselbare Identität ”wiederum als Waffe in der zunehmenden Städtekonkurrenz im Europa der Regionen”. Der stolze Linzer Bürgermeister Dobusch bringt die Sache auf den Punkt. ... Es ist der erklärte
Aus: Einheit Europa. Kulturrisse. Dezember 1998.
"... Der Kulturentwicklungsplan dient vor allem der Entwicklung einer Linz-spezifischen kulturellen Corporate Identity...”, diese unverwechselbare Identität ”wiederum als Waffe in der zunehmenden Städtekonkurrenz im Europa der Regionen”. Der stolze Linzer Bürgermeister Dobusch bringt die Sache auf den Punkt. ... Es ist der erklärte kulturpolitische Wille der Stadt, "Kunst und Kultur als wesentliche Identitätsfaktoren der Stadt nach innen und außen in die Modernisierungsstrategien der Kommune einzubinden". Relativ kriegerisches Vokabular für eine so schöne Sache wie die Kultur.
Die Kulturmeile, die sich die Linzer in ihrem Kulturentwicklungsplan zur Erfüllung ihrer CI-Wünsche so herbeisehnen, die glauben die Klagenfurter jedenfalls schon zu haben. Zur Sicherheit haben sie das mit überdimensionierten Licht-Windmühlen markiert und die kommunalen Kulturinstitutionen so zu Stationen eines säkularen Kreuzwegs gemacht. Unweit dieses Kreuzwegs wurde, während die kulturkämpferische Diskussion um die Gestaltung eines Nebensaals im Klagenfurter Landhaus nicht nur in Kärnten höchste Wogen schlug, im Hof desselben Landhauses fast unbemerkt eine grausliche Stätte der Kärntner Einheit” eingeweiht. Das Recht auf Selbstbestimmung der Völker erhielt uns die ungeteilte Heimat Kärnten...”, läßt uns die Ulrichsberggemeinschaft auf einer der vier Tafeln dieses Einheitsmals, das natürlich die Deutsch-Kärntner Einheit meint, wissen. Während die Kolig-Fresken als Zeichen der Veränderung und Vielfalt für sehr kurze Zeit viele Blicke auf sich zogen, medial aber inzwischen schon wieder verschwunden sind, wurde an prominenter Stelle im öffentlichen Raum die Einheit kulturell einzementiert.
Identität, also Einheit, Übereinstimmung, Bestimmtheit, ist wohl in Bezug auf Kunst und Kultur überhaupt der völlig falsche Ansatzpunkt. Aber es braucht gar nicht den Mythos von der Widerständigkeit der Kunst, um absolute kulturelle Identitäten ad absurdum zu führen. Die Welt als Ganzes geht einfach nicht mehr zurück ins Mittelalter oder vor die Aufklärung, in ein heimeliges einheitliches einfaches Universum. Solche Komplexitätsreduktion funktioniert einfach nicht mehr in einem globalisierten fin de siecle, der selbst die Postmoderne schon hinter sich gelassen hat.
Wenn in Österreich allerdings eine sozialdemokratische Partei ein neues Parteiprogramm diskutiert, dann findet sich offenbar trotzdem kein Mitglied, das sich dagegen auflehnt, daß Identität” als erster Begriff im Titel des Kulturkapitels plaziert wird. Die Wärme der Kultur und die Wärme der Identität rinnen wie füreinander gegossen ineinander. Der kulturelle Glanz schafft gerade dort verwaschene Felder der Gemeinschafts- und Sinnstiftung, wo die Widersprüche am heftigsten aufeinanderprallen (oder mit letzter Kraft verborgen gehalten werden).
Umso weiter weg die Heimat, umso abstrakter die Identität, desto größer, monumentaler muß die symbolische Handlung, das Ritual, die megalomanische Architektur ausfallen. Das funktioniert am manifestesten durch Großevents und Bauten: So geschehen, um ein weiteres Beispiel zu bringen, in Deutschland, wo Kanzler Schröder seinen Kulturminister Naumann vorausschickte, um die symbolisch hoch besetzten Fragen nationaler Repräsentation zu klären: Daher wird es in Berlin so bald kein oder wenn schon, nur ein defensives Holocaust-Mahnmal geben, dafür aber eine Attrappe in Form des wiederaufgebauten Stadtschlosses. Wie es ein Zeit-Autor formulierte: Im edleren Rahmen einer Kulturdebatte werden solche Kröten leichter geschluckt.”
Erst recht viel geschluckt werden muß, um den Rahmen noch ein weiteres Mal auszuweiten, wenn es darum geht, die Abstraktion Europa zu konkretisieren. Da wird dann auch im aktuellen EU-Rahmenprogramm für Kulturförderung mehrfach die symbolische, identitätsstiftende Kraft von großen Ereignissen“ beschwört, die wir hier am Beispiel des österreichischen Präsidentschaftseröffnungsspektakels Zwischen E und U” am Wiener Heldenplatz als Kombination aus Peinlichkeit und Glamour, Größenwahnsinn und Provinzialität erleben durften. Exemplarisch wurde uns vorgeführt: Nicht die Kultur bringt uns Identität, es verhält sich genau umgekehrt. Die harmonisierende, vereinheitlichende Zauber- und zugleich Leerformel der Identität braucht es, um den Riesenaufwand an Festivals, Denkmalschutz, Jubiläen, Gedenk- und Jahrhundertfeiern zu rechtfertigen, die eigentlich partikularen, nationalen Interessen dienen. Mit der Lancierung von Großprojekten und gleichzeitiger Schmähung der Gießkannenförderung (im Amtsenglisch der EU heißt das clustering instead of dispersing”) wird die Kultur zur Maximierung von Image und Wählerstimmen instrumentalisiert. Oder wie Peter Turrini einmal über die entleerten Riten der Volkskultur schrieb: Was bleibt, ist die Form, die Uniform, der Kitsch. Aber gerade weil diese Kultur nichts mehr bedeutet, weil sie nicht mehr Aufschluß gibt über die Lebensbedingungen, Hoffnungen und Wünsche der Menschen von heute, ist sie für die herrschende Ökonomie und die herrschende Politik so nachhaltig und beliebig ausbeutbar.”
Es braucht also große Formen, große Symbole, große Institutionen, die ihre nationalen Projekte vorantreiben. Wenn im Rahmenprogramm die Rede ist von einem den Europäern gemeinsamen Kulturraum“ und vom europäisches Aufbauwerk“, werden im Hintergrund eigentlich nur die nationalen Kulturpolitiken verdoppelt und komplementär dazu eine Art europäischer Neokolonialismus vorgetragen (Kunst und Kultur tragen zur Durchsetzung und Lebensfähigkeit des europäischen Gesellschaftsmodells... bei“, Ausstrahlung der europäischen Kulturen auf Drittländer“).
Auf allen vier Ebenen von der Stadt über das Bundesland zum Nationalstaat und zur transnationalen Staatengemeinschaft finden wir denselben Mechanismus: Die Kultur feiert die Wiedergeburt ihres affirmativen Charakters” (Marcuse), der zurückkehrt im Slogan Einheit durch Kultur”. Wie Samuel Huntingtons These vom Clash of Civilisations” braucht aber auch das Konstrukt Europa als Bastion des christlichen Abendlands - hierzulande in einem weiten Feld zwischen Ewald Stadler und Erhard Busek immer wieder gern aufgewärmt - ein absolutes, stabiles Außen, um seine absolute Identität aufzubauen. Und als Ersatz für das heute diskreditierte Gerede von Blut und Boden, Volk und Vaterland läßt sich mit dem Begriff der kulturellen Identität einiges an Staat machen. Quasi göttlich gesetzte Grenzen zwischen Innen und Außen, Schwarz und Weiß, Ost und West, Christentum und Islam etc. sind die Fundamente solcher Definitionen, die einer stetig wachsenden Bewaffnung mit Identitäten auch die materielle Aufrüstung folgen lassen. Ein christliches Abendland sucht sich so immer auch sein Anderes als Verwahrungsort des Bösen, das in ihm selbst steckt. Diedrich Diederichsen hat das recht klar auf den Punkt gebracht: Da, wo Identitäten ohne primäre Not angehäuft werden, hat jemand etwas vor. Und zwar nichts Gutes...” oder noch drastischer: Wer ohne primäre Not Identität verlangt, stiftet oder verehrt, ist ein Faschist.”
Aber, um diese Geschichte nicht in paranoide Weltverschwörungstheorien abgleiten zu lassen: Keine Angst. Es ist ja nur ein Trend, nicht unbedingt ein ganz gefährlicher, dazu ist das alles doch auch zu skurril. Besonders wenn man die verschiedenen Identitätsbeschwörungen und ihre jeweiligen Absolutheitsansprüche im Geiste gegeneinander antreten läßt...
Bei etwas genauerem Hinschauen erweisen sich ja auch alle noch so deutlich konturierten Identitäten als Mischformen: Identität funktioniert heute auch mit italienischem Essen, amerikanischem HipHop und fernöstlicher Esoterik.” (Mark Terkessidis) Das soll nun nicht die plumpe Weisheit unterstellen, daß Gegensätze sich anziehen. Oder das wohlige Ausruhen auf den Polstern einer multikulturellen Gesellschaft nahelegen. Das will darauf hinaus, daß Unruhe, Bewegung und Widerstand als inhärente Phänomene eines nicht ausgrenzenden Differenzbewußtseins forciert werden sollten.
Damit will ein progressiv verstandenes Europa ohne Grenzen gleichsam als Vorstufe des Weltstaates verortet sein. Und dem werden wir uns nur annähern, wenn wir in sich ständig verändernden Differenzen denken, nicht in absoluten Identitäten, schon gar nicht, wenn diese Identitäten Mittel zum ökonomischen Zweck sein sollen. Daher mein Rat: Wenn Sie Identität suchen, gehen Sie in sich - oder in die Kirche. Kunst und Kulturarbeit haben im Gegensatz dazu die Funktion des Widerstands gegen Vereinheitlichung, sie sollten sich lieber nicht als PR-Mittel instrumentalisieren lassen, sondern besser als praktische Beispiele für die Formel dienen, die Fredric Jameson auf den kürzest möglichen Punkt gebracht hat: Differenz verbindet.
"... Der Kulturentwicklungsplan dient vor allem der Entwicklung einer Linz-spezifischen kulturellen Corporate Identity...”, diese unverwechselbare Identität ”wiederum als Waffe in der zunehmenden Städtekonkurrenz im Europa der Regionen”. Der stolze Linzer Bürgermeister Dobusch bringt die Sache auf den Punkt. ... Es ist der erklärte kulturpolitische Wille der Stadt, "Kunst und Kultur als wesentliche Identitätsfaktoren der Stadt nach innen und außen in die Modernisierungsstrategien der Kommune einzubinden". Relativ kriegerisches Vokabular für eine so schöne Sache wie die Kultur.
Die Kulturmeile, die sich die Linzer in ihrem Kulturentwicklungsplan zur Erfüllung ihrer CI-Wünsche so herbeisehnen, die glauben die Klagenfurter jedenfalls schon zu haben. Zur Sicherheit haben sie das mit überdimensionierten Licht-Windmühlen markiert und die kommunalen Kulturinstitutionen so zu Stationen eines säkularen Kreuzwegs gemacht. Unweit dieses Kreuzwegs wurde, während die kulturkämpferische Diskussion um die Gestaltung eines Nebensaals im Klagenfurter Landhaus nicht nur in Kärnten höchste Wogen schlug, im Hof desselben Landhauses fast unbemerkt eine grausliche Stätte der Kärntner Einheit” eingeweiht. Das Recht auf Selbstbestimmung der Völker erhielt uns die ungeteilte Heimat Kärnten...”, läßt uns die Ulrichsberggemeinschaft auf einer der vier Tafeln dieses Einheitsmals, das natürlich die Deutsch-Kärntner Einheit meint, wissen. Während die Kolig-Fresken als Zeichen der Veränderung und Vielfalt für sehr kurze Zeit viele Blicke auf sich zogen, medial aber inzwischen schon wieder verschwunden sind, wurde an prominenter Stelle im öffentlichen Raum die Einheit kulturell einzementiert.
Identität, also Einheit, Übereinstimmung, Bestimmtheit, ist wohl in Bezug auf Kunst und Kultur überhaupt der völlig falsche Ansatzpunkt. Aber es braucht gar nicht den Mythos von der Widerständigkeit der Kunst, um absolute kulturelle Identitäten ad absurdum zu führen. Die Welt als Ganzes geht einfach nicht mehr zurück ins Mittelalter oder vor die Aufklärung, in ein heimeliges einheitliches einfaches Universum. Solche Komplexitätsreduktion funktioniert einfach nicht mehr in einem globalisierten fin de siecle, der selbst die Postmoderne schon hinter sich gelassen hat.
Wenn in Österreich allerdings eine sozialdemokratische Partei ein neues Parteiprogramm diskutiert, dann findet sich offenbar trotzdem kein Mitglied, das sich dagegen auflehnt, daß Identität” als erster Begriff im Titel des Kulturkapitels plaziert wird. Die Wärme der Kultur und die Wärme der Identität rinnen wie füreinander gegossen ineinander. Der kulturelle Glanz schafft gerade dort verwaschene Felder der Gemeinschafts- und Sinnstiftung, wo die Widersprüche am heftigsten aufeinanderprallen (oder mit letzter Kraft verborgen gehalten werden).
Umso weiter weg die Heimat, umso abstrakter die Identität, desto größer, monumentaler muß die symbolische Handlung, das Ritual, die megalomanische Architektur ausfallen. Das funktioniert am manifestesten durch Großevents und Bauten: So geschehen, um ein weiteres Beispiel zu bringen, in Deutschland, wo Kanzler Schröder seinen Kulturminister Naumann vorausschickte, um die symbolisch hoch besetzten Fragen nationaler Repräsentation zu klären: Daher wird es in Berlin so bald kein oder wenn schon, nur ein defensives Holocaust-Mahnmal geben, dafür aber eine Attrappe in Form des wiederaufgebauten Stadtschlosses. Wie es ein Zeit-Autor formulierte: Im edleren Rahmen einer Kulturdebatte werden solche Kröten leichter geschluckt.”
Erst recht viel geschluckt werden muß, um den Rahmen noch ein weiteres Mal auszuweiten, wenn es darum geht, die Abstraktion Europa zu konkretisieren. Da wird dann auch im aktuellen EU-Rahmenprogramm für Kulturförderung mehrfach die symbolische, identitätsstiftende Kraft von großen Ereignissen“ beschwört, die wir hier am Beispiel des österreichischen Präsidentschaftseröffnungsspektakels Zwischen E und U” am Wiener Heldenplatz als Kombination aus Peinlichkeit und Glamour, Größenwahnsinn und Provinzialität erleben durften. Exemplarisch wurde uns vorgeführt: Nicht die Kultur bringt uns Identität, es verhält sich genau umgekehrt. Die harmonisierende, vereinheitlichende Zauber- und zugleich Leerformel der Identität braucht es, um den Riesenaufwand an Festivals, Denkmalschutz, Jubiläen, Gedenk- und Jahrhundertfeiern zu rechtfertigen, die eigentlich partikularen, nationalen Interessen dienen. Mit der Lancierung von Großprojekten und gleichzeitiger Schmähung der Gießkannenförderung (im Amtsenglisch der EU heißt das clustering instead of dispersing”) wird die Kultur zur Maximierung von Image und Wählerstimmen instrumentalisiert. Oder wie Peter Turrini einmal über die entleerten Riten der Volkskultur schrieb: Was bleibt, ist die Form, die Uniform, der Kitsch. Aber gerade weil diese Kultur nichts mehr bedeutet, weil sie nicht mehr Aufschluß gibt über die Lebensbedingungen, Hoffnungen und Wünsche der Menschen von heute, ist sie für die herrschende Ökonomie und die herrschende Politik so nachhaltig und beliebig ausbeutbar.”
Es braucht also große Formen, große Symbole, große Institutionen, die ihre nationalen Projekte vorantreiben. Wenn im Rahmenprogramm die Rede ist von einem den Europäern gemeinsamen Kulturraum“ und vom europäisches Aufbauwerk“, werden im Hintergrund eigentlich nur die nationalen Kulturpolitiken verdoppelt und komplementär dazu eine Art europäischer Neokolonialismus vorgetragen (Kunst und Kultur tragen zur Durchsetzung und Lebensfähigkeit des europäischen Gesellschaftsmodells... bei“, Ausstrahlung der europäischen Kulturen auf Drittländer“).
Auf allen vier Ebenen von der Stadt über das Bundesland zum Nationalstaat und zur transnationalen Staatengemeinschaft finden wir denselben Mechanismus: Die Kultur feiert die Wiedergeburt ihres affirmativen Charakters” (Marcuse), der zurückkehrt im Slogan Einheit durch Kultur”. Wie Samuel Huntingtons These vom Clash of Civilisations” braucht aber auch das Konstrukt Europa als Bastion des christlichen Abendlands - hierzulande in einem weiten Feld zwischen Ewald Stadler und Erhard Busek immer wieder gern aufgewärmt - ein absolutes, stabiles Außen, um seine absolute Identität aufzubauen. Und als Ersatz für das heute diskreditierte Gerede von Blut und Boden, Volk und Vaterland läßt sich mit dem Begriff der kulturellen Identität einiges an Staat machen. Quasi göttlich gesetzte Grenzen zwischen Innen und Außen, Schwarz und Weiß, Ost und West, Christentum und Islam etc. sind die Fundamente solcher Definitionen, die einer stetig wachsenden Bewaffnung mit Identitäten auch die materielle Aufrüstung folgen lassen. Ein christliches Abendland sucht sich so immer auch sein Anderes als Verwahrungsort des Bösen, das in ihm selbst steckt. Diedrich Diederichsen hat das recht klar auf den Punkt gebracht: Da, wo Identitäten ohne primäre Not angehäuft werden, hat jemand etwas vor. Und zwar nichts Gutes...” oder noch drastischer: Wer ohne primäre Not Identität verlangt, stiftet oder verehrt, ist ein Faschist.”
Aber, um diese Geschichte nicht in paranoide Weltverschwörungstheorien abgleiten zu lassen: Keine Angst. Es ist ja nur ein Trend, nicht unbedingt ein ganz gefährlicher, dazu ist das alles doch auch zu skurril. Besonders wenn man die verschiedenen Identitätsbeschwörungen und ihre jeweiligen Absolutheitsansprüche im Geiste gegeneinander antreten läßt...
Bei etwas genauerem Hinschauen erweisen sich ja auch alle noch so deutlich konturierten Identitäten als Mischformen: Identität funktioniert heute auch mit italienischem Essen, amerikanischem HipHop und fernöstlicher Esoterik.” (Mark Terkessidis) Das soll nun nicht die plumpe Weisheit unterstellen, daß Gegensätze sich anziehen. Oder das wohlige Ausruhen auf den Polstern einer multikulturellen Gesellschaft nahelegen. Das will darauf hinaus, daß Unruhe, Bewegung und Widerstand als inhärente Phänomene eines nicht ausgrenzenden Differenzbewußtseins forciert werden sollten.
Damit will ein progressiv verstandenes Europa ohne Grenzen gleichsam als Vorstufe des Weltstaates verortet sein. Und dem werden wir uns nur annähern, wenn wir in sich ständig verändernden Differenzen denken, nicht in absoluten Identitäten, schon gar nicht, wenn diese Identitäten Mittel zum ökonomischen Zweck sein sollen. Daher mein Rat: Wenn Sie Identität suchen, gehen Sie in sich - oder in die Kirche. Kunst und Kulturarbeit haben im Gegensatz dazu die Funktion des Widerstands gegen Vereinheitlichung, sie sollten sich lieber nicht als PR-Mittel instrumentalisieren lassen, sondern besser als praktische Beispiele für die Formel dienen, die Fredric Jameson auf den kürzest möglichen Punkt gebracht hat: Differenz verbindet.