Frauenpolitik in Österreich: Wieder von Null anfangen
Die schwarz/türkisblaue Koalition hat bei ihrem Umbau der Republik nicht nur den Sozialstaat ins Visier genommen, sondern auch die Zivilgesellschaft. Dabei begannen sie mit Kürzungen von Fraueninitiativen. Nächstes Jahr wären weitere Kürzungen geplant gewesen. Wie haben Aktivistinnen das Jahr selbst erlebt? Was halten sie ungeachtet der Regierungskonstellationen für die größten Baustellen österreichischer Frauenpolitik? Und was erwarten sie von den Neuwahlen?
Zu tun gäbe es genug, so Brigitte Theißl vom Magazin an.schläge. Gewaltschutzeinrichtungen müssten ausfinanziert, feministische Vereine und Initiativen entsprechend gefördert werden. Der Schwangerschaftsabbruch müsste aus dem Strafgesetzbuch entfernt und ebenso wie Verhütung als Kassenleistung bewertet werden. Diese Probleme gingen der letzten Regierung voraus, unter Schwarz/Türkis-Blau hat es aber auch eine Reihe von Rückschritten gegeben. Vor allem die harte Sozialpolitik betrifft Frauen am Stärksten, so Theißl. Sie verdienen weniger, arbeiten häufiger Teilzeit, sind dadurch stärker von Altersarmut bedroht. Eine Abschaffung der Notstandhilfe oder Reform der Mindestsicherung trifft sie umso härter.
Gleichzeitig führte Frauenministerin Bogner-Strauß einen regelrechten Feldzug gegen Fraueninitiativen und feministische Projekte: Eine ganze Reihe an Initiativen wurden gekürzt. Das Magazin an.schläge wurde ganz auf Null gestutzt und konnte sich nur mit einer mühsamen Abo-Aktion über Solidaritätsabos und der Unterstützung der Community über Wasser halten. Das bedeutete viele unbezahlte Überstunden. Die gibt es zwar im Regelbetrieb auch häufig, doch die notwendige Aktion aufgrund der Kürzungen brachten sie an den Rand ihrer Kräfte.
Unter der letzten Regierungskonstellation existiert frauenpolitisch nur noch der Opferschutz, jedoch auch unter dem fahlen Beigeschmack, politisches Kleingeld daraus zu gewinnen. Denn auch der Verein autonomer Frauenhäuser wurde gekürzt, ebenso der Verein One Billion Rising, der sich für ein Ende der Gewalt an Frauen und Mädchen einsetzt. Gleichzeitig wurde medial eine Meldungspflicht für Psychotherapeut*innen bei Vergewaltigungen gefordert. Das hilft mehr der Stimmungsmache im Sinne der politischen Agenda von ÖVP und FPÖ, als den betroffenen Frauen selbst.
„Es wäre wichtig, dass nicht nur Opfer benannt werden, sondern eine Politik gemacht wird, die Selbstermächtigung fördert.“ So Oona Valarie Serbest, Geschäftsführerin vom Verein FIFTITU%. Vorstandsmitglied Gitti Vasicek fügt hinzu, dass immer mehr Initiativen und selbstverwaltete Räume geschlossen werden müssen. Der Rückzug auf das „Kerngeschäft“ Gewaltschutz habe aber schon unter Rot-Schwarz begonnen. Das fehlende Bekenntnis zur Frauenpolitik ist also keine Frage der politischen Couleur.
Gleichzeitig bedarf es eines Schulterschlusses, um frauenpolitisch überhaupt etwas durchsetzen zu können. Genau das versucht das Frauen*volksbegehren nun. Letztes Jahr wurde es im Parlament „endabgefertigt.“ Die Regierung stellte sich keiner ernsthaften Diskussion, die Frauenministerin schwänzte das Plenum, trotz fast einer halben Million Unterschriften. So ernst nimmt es Schwarz/Türkis-Blau also mit der selbst von einer Regierungspartei so häufig geforderten direkten Demokratie.
Der Verein hinter dem Volksbegehren wurde nun umgewidmet, um weiterhin für die Erfüllung der Forderungen zu lobbyieren: „Die Karten werden ja durch die Neuwahlen neu gemischt. Wir führen gerade mit allen Parteien Gespräche, die alle signalisiert haben, dass es aus ihrer Sicht unterstützenswerte Punkte gäbe und fragen noch einmal, welche das denn aus ihrer Sicht sind und welche Maßnahmen sie in Zukunft ergreifen wollen, um diese Punkte auch umzusetzen,“ erkärt Lena Jäger, Kampagnenleiterin des Frauen*volksbegehren. Frauenpolitische Arbeit muss ihrer Ansicht nach über alle politische Fraktionen hinweg stattfinden. Um da wieder hinzukommen, muss das Anliegen von einer starken zivilgesellschaftlichen Bewegung getragen werden.
Was werden die Neuwahlen ausrichten können? Für Lena Jäger besteht durchaus Hoffnung, dass sich die Lage bessert. Allerdings macht es ihr auch Sorgen, dass bei anderweitigen Koalitionen womöglich wichtige oppositionelle Kräfte wegfallen. Beim Magazin an.schläge rechnet man hingegen nicht damit, so bald wieder eine Förderung vom Frauenministerium zu kriegen. Schlimmer werden könne es jedoch wohl kaum, meint Brigitte Theißl: „Weiterkürzen kann man ja nicht, da wir wieder auf Null sind.“ Es ist ein gutes Sinnbild dafür, wie sich die österreichische Öffentlichkeit in den letzten Jahren transformiert hat. Man muss wieder Fragen diskutieren, die man für selbstverständlich gehalten hätte, so Theißl. Wer auch immer das Ministerium übernehmen wird, man wird in Österreich frauenpolitisch leider wieder bei Null beginnen müssen.
Beitrag als Podcast:
Foto: Toa Heftiba