Schwerpunkt: Generationenwechsel – Übergabe Kultur
Die aktuelle Ausgabe des IG Kultur Magazins widmet sich dem Generationenwechsel im Kulturbereich – den unterschiedlichen Rahmenbedingungen, Herausforderungen aber auch Potenzialen, die die Übergabe eines Kulturvereins an Folgegenerationen birgt.

Zum Magazinschwerpunkt: Übergabe Kultur
Bettina Mair, Gabriele Gerbasits
Sie ist in die Jahre gekommen – die soziokulturelle, freie, subkulturelle Szene. Es ist die Gründungsgeneration, deren Zentren in den Ausläufern der großen sozialen Bewegungen der 60er und 70er Jahre entstanden sind und die beginnt sich zu verabschieden. Es waren die Boomer und Post-68er, die v.a. in den 90ern zahlreiche Kulturinitiativen gegründet haben. Diese Generationen haben jene Art der Kultur mehr oder weniger erfunden. Sie haben Orte besetzt, Nutzungsrechte erkämpft, Strukturen aufgebaut. Es entstanden Zentren in alten Fabriken, Hallen oder Mühlen, verlassenen Krankenhäusern, oder Gebäuden, die zum Abriss bestimmt waren, wie es beim im Magazin vorgestellten Kulturverein Bahnhof in Andelsbuch der Fall war. Oft hält in diesen Initiativen und Vereinen die Gründungsgeneration seit Jahrzehnten die Posten der Geschäftsführung inne. Jetzt kommen viele ins Pensionsantrittsalter und haben nicht selten Probleme mit der Nachfolge. Ein großer Generationenwechsel im Kulturbereich hat in den letzten Jahren begonnen.
In der aktuellen Magazinausgabe ÜBERGABE KULTUR des „Zentralorgans für Kulturpolitik und Propaganda“ möchte sich die IG Kultur dieser Thematik annehmen, unterschiedliche Rahmenbedingungen beleuchten, Herausforderungen aufzeigen sowie den Blick auch auf die oft übersehenen Potenziale richten, die die Übergabe eines Vereins an Folgegenerationen birgt. So unterhält sich Monika Pink mit Anne Wiederhold-Daryanavard beispielsweise darüber wie sich Institutionen bei der Nachfolgefrage in Bezug auf Diversität reflektieren können, um sicherzustellen, dass Kunst und Kultur weiterhin etwas mit der Gesellschaft zu tun hat. Ein Aspekt den Lutz Liffers bereits 2017 im Magazin „Soziokultur“ behandelt hat und den wir ins Magazin aufgenommen haben.
Karin Scaria-Braunstein greift den Begriff der Generation hingegen aus soziologischer Perspektive auf und diskutiert, inwieweit dieser für Kunst und Kultur taugt, denn „die Freie Szene ist mitnichten ein homogenes Feld“. Dahingehend stellt sich auch die Frage, wie man ob dieser Vielfalt junge Menschen überhaupt erreichen und nachhaltig in die Vereinsarbeit einbinden kann. Der Verbindung von Jugend- und Kulturarbeit gehen im Magazin zwei Experten nach: Lukas Trentini (in einem Interview mit Helene Schnitzer) und Florian Arlt, die dafür plädieren der Jugend mehr Raum zu geben.
Die Zusammenschau der Praxisberichte vermittelt im Hinblick auf Übergabe- und Transformationsprozesse jedenfalls ein eindeutiges Bild, und zwar jenes, dass es sich um kein leichtes Unterfangen handelt. Nur wenige schaffen es eine Vereinsübergabe erfolgreich zu planen und durchzuführen. Trotz aller Unterschiedlichkeiten in Bezug auf Strukturen, Arbeitsweisen, Inhalte und beteiligte Menschen ziehen sich bestimmte kritische Elemente wie ein roter Faden durch die einzelnen Berichte. Obwohl die jeweiligen Zugänge dazu mitunter stark differieren, unternimmt Bettina Mair basierend auf Erfahrungsberichten und Beratungsgesprächen den Versuch einige Leitfragen und Strategien in den Raum zu stellen, die im Zuge von Übergabeprozessen – ungeachtet aller Unterschiedlichkeiten – Orientierung geben können.
Die Kunststrecke in diesem Heft wird von der Künstlerin und langjährigen Obfrau der Fotogalerie Wien (über den Generationenwechsel in der Fotogalerie ist in diesem Heft ebenfalls nachzulesen) Susanne Gamauf im Dialog mit ihrem Sohn Emil Gamauf bestritten.
Die Leidenschaft, von der die Kulturarbeit oft getragen ist, lässt sich nicht einfach einer neuen Generation überstülpen. Wenn die Zitate der Schüler*innen im Heft einen Fokus auf faire Bezahlung zeigen, ahnt man, welche Gegensätze im Zugang überwunden werden müssen.
Das Magazin soll Mut machen diesen Gegensätzen zu begegnen bzw. im Idealfall vorzubeugen. Es bedarf einer Begegnung auf Augenhöhe, der gegenseitigen Anerkennung der Fähigkeiten und Leistungen sowie einer offenen Kommunikation samt gelebter Fehlerkultur damit Übergabeprozesse nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sind.
Wie erhalte ich das IG Kultur Magazin?
Mitglieder der IG Kultur Österreich erhalten das Magazin direkt per Post. Die digitale Ausgabe sowie die Beiträge des Magazins werden ab März 2025 veröffentlicht. Print-Exemplar können per E-Mail unter office@igkultur.at bestellt werden (Preis: 5,50 Euro).
Übersicht frühere Ausgaben des Zentralorgan für Kulturpolitik und Propaganda
Inhaltsübersicht
PRAXIS
Brücken bauen und Sessel sägen
David Prieth
Kulturverein Bahnhof. Generationsübergabe aus zwei Blickrichtungen
Margret Broger, Sandra Pöltl
Kulturarbeit ist mehr als Arbeit
Johannes Rausch
Karikatur:
Monika Ernst
Vom Pionier zur Next Generation. Der Generationenwechsel im Jazzit Salzburg
Willi Tschernutter
Generationenwechsel in der Fotogalerie Wien
Johan Nane Simonsen
Parcours in unbekannte Richtung. Medienwerkstatt Wien
Gerda Lampalzer
POLITIK
Inreach statt Outreach. Über Diversität und Wege der Transformation im Kulturbereich
Monika Pink und Anne Wiederhold-Daryanavard im Gespräch
Nachwuchs im Kulturverein?
Helene Schnitzer im Gespräch mit Lukas Trentini
Kolumne: Sie gehören doch hinter den Kochtopf
Martin Moped
INTERNATIONAL
Kann ich etwa hellsehen? Der Generationenwechsel muss Antwort auf eine unbekannte Zukunft geben.
Lutz Liffers
Kolumne: Stabübergabe
Andi Wahl
Wind of change in der Sumpfblume. Erkenntnisse aus einem Change-Management-Prozess
Linda Meier
THEORIE
… aber wie soll es dann weitergehen?
Bettina Mair
Der Jugend Raum geben!
Florian Arlt
Über Generationsprophezeiungen
Karin Scaria-Braunstein
IG ARBEIT
In den Vorstand eines Kulturvereins einsteigen? Vorsicht ist geboten, Panik jedoch nicht.
Thomas Höhne
Der Praxis nahestehen!
Lidija Krienzer-Radojevic
Schüler*innen zu ihren Erwartungen an die Arbeit im Kulturbereich. Blick aus der Zukunft
LITERATUR
Was normal ist
Elias Hirschl
KUNST
Susanne Gamauf und Emil Gamauf