Kunst & Kultur – zwischen politischen Lippenbekenntnissen und Relevanz für alle!
Die Dezember Ausgabe der IG Kultur Steiermark Kulturradio Sendung. Mit einem Mitschnitt der Pressekonferenz „Kunst und Kultur – zwischen politischen Lippenbekenntnissen und Relevanz für alle!“
Aktuelle kulturpolitische Nachrichten der IG Kultur Steiermark. In der zweiten Stunde gibt es diesmal einen Mitschnitt der Mitte November abgehaltenen Pressekonferenz der IG Kultur Steiermark unter dem Titel „Kunst und Kultur – zwischen politischen Lippenbekenntnissen und Relevanz für alle!“
Ab Minute ’01
- Update der Studie zur sozialen Lage von Kulturschaffenden
- Kulturjahr 2020 – Veröffentlichung des Calls
- Möglicher Koalitionszwist um die mehrjährigen Kulturförderverträge der Stadt Graz
- Prekär Leben – Ausblick auf die demnächst erscheinende Ausgabe des IG Kultur Österreich Magazins
- Kurznachrichten, Tips und Termine
Ab Minute ’60
- Mitschnitt Pressekonferenz: „Kunst und Kultur – zwischen politischen Lippenbekenntnissen und Relevanz für alle!“
Musik von: Just Friends and Lovers, De Facto & Rer Repeter, Microtonner, Maja Osojnik, PDF & The Acrobats, Mono Peninsula, Berndt Luef Trio, Daniel Hafner, Mira Lu Kovacs, Fontarrian, Human Animal
Mit Besorgnis beobachtet die IG Kultur Steiermark die stetigen Verschlechterungen der Rahmenbedingungen für Kulturarbeit in der Steiermark. Zu unserem großen Bedauern werden wichtige Forderungen der Kulturschaffenden seit Jahren nicht aufgegriffen. So läuft der Kulturbetrieb in der Steiermark zwar weiter, ist aber massiven Bedrohungen ausgesetzt, und es besteht die Gefahr, dass sich Kunst abseits der marktorientierten touristischen „Leuchttürme“ totläuft. Laut eigener Aussage ist es Kulturlandesrat Christopher Drexler ein wesentliches Anliegen, vielen Steirerinnen und Steirern „einen niederschwelligen Zugang zur Kultur zu ermöglichen“, während Kulturstadtrat Günter Riegler der Meinung ist, dass man als Kulturpolitiker „auf eine vitale Szene angewiesen ist.“ Eine verantwortungsvolle Kulturpolitik will man beim Wort nehmen können.
Die seit Jahren stagnierenden Budgets müssen endlich erhöht werden. Ausschreibungs- und Vergabeprozesse bedürfen einer Überarbeitung in Hinblick auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Bürokratische Abläufe sind zu vereinfachen und unter den Gebietskörperschaften anzugleichen. Zudem gilt es, mediale Plattformen, die öffentlichen Diskurs und Sichtbarkeit gewährleisten, zu stärken.
Nur so kann weiterhin ein partizipatives und vielfältiges, also den Anforderungen einer demokratischen Gesellschaft gerecht werdendes, kulturelles Leben aufrechterhalten werden. Die viel bemühte Rede vom „Kulturland Steiermark“ droht andernfalls endgültig zur leeren Floskel zu verkommen.
Beteiligten Personen:
Anita Hofer (IG Kultur Steiermark)
Simon Hafner (IG Kultur Steiermark)
Evelyn Schalk (ausreißer)
Jogi Hofmüller (mur.at)
Malik Sharif (Radio Helsinki)
Kulturpolitik = Demokratiepolitik
Kulturpolitik in Österreich, die hauptsächlich auf die Erhaltung eines traditionellen Kulturbetriebes konzentriert ist, befindet sich auf demokratiepolitischem Glatteis. Die IG Kultur fordert ein kulturpolitisches Projekt, das endlich eine breitere Fachöffentlichkeit dazu einlädt, diskursiv an der Formulierung und Umsetzung einer perspektivischen Kulturpolitik teilzunehmen.
Zur Entwicklung einer perspektivischen Kulturpolitik gehören auch die Themen: öffentliche Budgetmittel, Transparenz und Bürokratie – 3 gesellschaftspolitisch relevante Themen, die heute behandelt werden.
Erhöhung des Kulturbudgets!
Es gibt entgegen anderslautender Behauptungen nicht mehr, sondern effektiv weniger Geld für Kulturarbeit. Berücksichtigt man die Inflation, stagnieren oder sinken die Kulturbudgets sowohl auf Länder- als auch auf Stadtebene. Für Kunst- und Kulturschaffende bedeuten sowohl offene, als auch schleichende Budgetkürzungen die Bedrohung ihrer Existenzen. So wurden die teilweise massiven Budgetkürzungen von 2012 auf Landesebene niemals kompensiert oder zurückgenommen. Es steht also viel auf dem Spiel, wenn Kulturschaffende weiterhin weniger bekommen und dafür mehr leisten müssen. Klar ist: Die Kulturbudgets müssen nicht nur erhöht, sondern auch besser verteilt werden!
Ein aktuelles Beispiel:
157 Projekte erhalten Förderverträge vom Land Steiermark für die nächsten drei Jahre. Das sind fünf Projekte weniger als bisher (162). Rund 25% der Gesamtsumme der Förderverträge fließen in vier Projekte (2,55% aller geförderten Projekte). 45% gehen an 12 Projekte (7,64%). Insgesamt stehen für die nächsten drei Jahre jährlich €12.700 (€6.612.000) mehr zur Verfügung als bisher. Auf Basis des HVPI (Harmonisierter Verbraucher*innenpreisindex) sind das €350.436 weniger!
Transparenz in Vergabeprozessen!
Komplizierte Einreichprozesse, knappe Fristen, intransparente Entscheidungsfindung, mangelnde Investition von Basisstrukturen und späte Veröffentlichung von Budgetsummen – in all diesen Punkten gibt es Handlungsbedarf. Die Entscheidungsfindungsprozesse der Begutachtungsgremien des Landes Steiermark folgen keinen klar formulierten, nachvollziehbaren, öffentlich einsehbaren Kriterien. Weiters fehlen fundierte Begründungen, warum Förderanträge positiv oder negativ beurteilt werden. Mittel- und längerfristige Planbarkeit wird nicht unterstützt, sondern durch knappe Einreichfristen und späte Zu- oder Absagen von Fördermitteln torpediert. Erst Ende des Jahres zu wissen, ob beispielsweise eine Jahresförderung (erneut) gewährt wird, verunmöglicht kontinuierliche und professionelle Kulturarbeit. Solche Praktiken führen in der Folge zu noch stärkerer Prekarisierung, Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung.
Bezüglich Transparenz in Begutachtungsverfahren wären öffentliche Jurysitzungen ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Auf Landesebene wäre die Schaffung eines Kulturbeirates für alle kulturpolitischen Belange und spartenspezifische Fachbeiräte mit einschlägiger Expertise zur Begutachtung der Förderanträge für alle Seiten effizient und nachvollziehbar.
Bürokratie reduzieren!
Öffentliche Gelder, die für die Förderung von Kunst und Kultur bestimmt sind, dürfen nicht für administrative und bürokratische Aufgaben verschwendet werden. Der stetig wachsende Antrags-, Berichts- und Prüfungsaufwand führt auf Seiten der Kulturinitiativen zu einer Bindung knapper Ressourcen, die eigentlich für die inhaltliche Arbeit verwendet werden sollten. Auf Seiten der Fördergeber führt dieser Aufwand zu einer zunehmenden Belastung der öffentlichen Verwaltung. Dieser ineffiziente Umgang mit den öffentlichen Geldern ist in niemandes Interesse und führt zu keiner Steigerung der Qualität künstlerischer und kultureller Arbeit.
Zugleich schafft die zunehmende Bürokratisierung immer höhere Hürden für neue Initiativen, die noch keine jahrelange Routine im Einwerben, Verwalten und Abrechnen von Förderungen haben. Junge Initiativen sind auf einen angemessenen Vertrauensvorschuss bei der Fördervergabe angewiesen, damit sie hinreichenden Spielraum haben, um sich zu konsolidieren und zu etablieren. Etablierten Institutionen, die über Jahre hinweg erfolgreich und sorgfältig arbeiten, ist das gerechtfertigte Vertrauen entgegen zu bringen, dass sie das auch ohne ausufernde Berichtspflichten und Prüfauflagen weiterhin tun werden.
Wir fordern daher die Vereinfachung der Abrechnungsmodalitäten für Kulturverwaltung und Kulturschaffende durch Erhöhung der Verfahrenseffizienz (verständliche Formulare, rasche Bearbeitungsdauer, einfache Abwicklungsmodi) und die Verhältnismäßigkeit des administrativen Aufwandes in Relation zur Förderhöhe. So stünde wesentlich mehr Arbeitszeit für kreative Tätigkeiten zur Verfügung.
Stärkung der Basis von der Kulturarbeit!
Die Steiermark verfügt über eine historisch gewachsene, lebendige und vielfältige Kunst- und Kulturlandschaft. Damit diese Kulturlandschaft weiter bestehen kann, müssen entsprechende Rahmenbedingungen erfüllt werden – wie jede Landschaft braucht auch jene der Kultur entsprechende Pflege.
Die schleichende Tendenz zu Einzelprojektförderungen und thematischen Calls (so zuletzt auch bei den mehrjährigen Verträgen der Stadt Graz) erschwert die notwendige Basisarbeit, die Grundlage für qualitativ hochwertige und professionelle Kulturarbeit darstellt. Mit Fördermitteln muss also auch verstärkt und konsequent Basisarbeit finanziert werden!
Event-, Output- und produktorientierte Kunst- bzw. Kulturförderung fördert vor allem eines: Prekarisierung und Selbstausbeutung von Einzelpersonen. Ohne Basis, ohne leistbare Räume, ohne Personalstrukturen und Netzwerke und ohne Bekenntnis zum Experiment können keine Projekte umgesetzt werden. Die Akteur*innen diese Basis quasi als Freizeitvergnügen stemmen zu lassen zeigt den Wert der Kulturarbeit für die Kulturpolitik – eine solche Haltung wäre in anderen politischen Feldern (wie z.B. Wirtschaft) undenkbar.
Das nächste Kulturradio gibts am 24. Jänner 2019 von 9:00 – 11:00 auf Radio Helsinki 92,6 FM in Graz