Jour Fixe mit Dr. Kurt Flecker

Neues Kulturbewusstsein in der Steiermark
Jour Fixe mit Kurt Flecker, Landeshauptmannstv. und Kulturlandesrat

Jour Fixe am 1. März 2006, Radio Helsinki, Graz

Neues Kulturbewusstsein in der Steiermark
Jour Fixe mit Kurt Flecker, Landeshauptmannstv. und Kulturlandesrat

1. März 2006, 18 Uhr, Radio Helsinki/Griesgasse 8, 8020 Graz
Live-Übertragung auf Radio Helsinki

Jourfixe mit Landeshauptmannstellvertreter Dr. Kurt Flecker

IG-Obmann Michael Petrowitsch und Landeshauptmannstellvertreter Dr. Kurt Flecker
IG-Obmann Michael Petrowitsch und Landeshauptmannstellvertreter Dr. Kurt Flecker

Die Frage ist, wo fangt Kulturpolitik an, was darf sie. Doch nicht nur fördern. Auch Akzente setzen und Schwerpunkte verschieben. Alle wollen nur übers Geld reden, da ist die Politik angreifbar, wird nur am Geld gemessen. Es geht darum, dass man das Klima beeinflussen will. Durch Incentives, durch Wortmeldungen etc. Z.B. eine kulturpolitische Diskussion der letzten Jahre fand nicht statt. Ich mag net so langweilig sein, wie die Frau Klasnic. (...) Mir geht es darum, die Verbindung zum Sozialen zu finden. (...) Die Frage ist: Wie eine Gesellschaft verändern, die Personen bewusst aussortiert? Wir leben im Neoliberalismus und Kapitalismus. Ich muss schauen, wie ich Arbeit auf möglichst viele Menschen aufteile. Wir haben eine arbeitende Gesellschaft und eine diskriminierte/grundgesicherte Gesellschaft. Wichtig ist, dass die ideologischen Unterschiede tatsächlich ausgetragen werden. Wir haben in der EU keine Institution die ideologische Unterschiede austrägt. Diese Diskussion muss ins EU Parlament. Wir müssen also für die Gesellschaft Klammern finden. Eine dieser Klammern ist die Kultur. Wir müssen auch Kultur als wesentliches Element der gesellschaftlichen Teilhabe fördern. Ich bin für jeden offen, der Kulturprojekte mit Arbeitslosen macht. Ich mache das Arbeits-, Sozial- und Kulturressort und bin in allen drei Bereichen dafür, Diskriminierungen aufzuheben. (...) In Graz wird das Österreichische Sozialforum stattfinden, das werde ich fördern. Wenn jemand eine Kapitalismuskritik-Veranstaltung auf die Füße stellt, erfüllt er mir einen Wunsch. (...) Nur den Mainstram zu bedienen, führt zu Verknöcherung.

Wir haben die KSG zur Servicegesellschaft umgepolt: Es wird noch in den nächsten Wochen eine Beratung eingerichtet, wie komme ich in die EU-Programme. Es gibt jetzt eine Rechtsberatung für Kunst- und Kulturschaffende. Die KSG soll Hilfestellung leisten, nicht Veranstalterin sein. Die Veranstaltung Geist und Gegenwart wird es auch 2007 noch geben aber vom Wissenschaftsressort aus organisiert. (...)

Die Cinestyria haben wir neu gestaltet. Zunächst vom rechtlichen Hintergrund her. Es gibt die ausgegliederte Gesellschaft und den Verein Cinestyria. Über den Verein wird weiterhin Wirtschafts- und Tourismusförderung betrieben. Aber aus dem Kulturbudget wird jetzt vorwiegend der Kunstfilm gefördert. Das ist jetzt entkoppelt: Kunstfilm einerseits und Tourismus-/Wirtschaftsförderung. (:..)

Es wird keine Landesausstellung mehr geben. Es wird Veranstaltungsansammlungen geben. (...) Wir werden ab 2008 solche Festivals oder wie das auch immer heißen wird, veranstalten, aber nicht Ortserneuerung machen. Dafür gibt es zielgerichtet einen eigenen Budgetposten.

Es gibt ein KünstlerInnen-Atelier in Berlin, das geschlossen wird wegen absoluter Erfolglosigkeit. In Graz werden 18 neue Ateliers entstehen. Eventuell werden 4 Ateliers mit Wohnöglichkeit versorgt. Es soll ein offenes Haus werden; das könnte ab 2008 unter Dach und Fach sein. Es geht sicher besser, so Künstler zu fördern, als es dort in Berlin der Fall war. Ich folge was die Künstlerförderung betrifft sehr den Empfehlungen des Beirats. Jetzt gibt es die Praxis, dass Autorenförderung höher empfohlen wird, als im Vorjahr.


Im Moment ist beim Joanneum die Führung offen. (Bewerbung Pakesch in Wien wird am heutigen Tag entschieden) – wenn Pakesch reüssiert, stehen Möglichkeiten einer Neukonstruktion da. Wenn nicht, werden wir Gespräche führen. Obgleich die Optik, dass ein vertraglich gebundener Intendant sich anderswo bewirbt, offen gesagt nicht ideal ist.

Nora Theiss: Es fällt auf, dass Sie zuerst Peter Pakeschs zentrale Rolle im Joanneum heftig kritisiert haben. Jetzt sind Sie bei jeder Eröffnung. Das macht den Eindruck, als hätte man Sie eingekocht.

Flecker: Ich lasse mich nicht einkochen. Eröffnungen schmeicheln meiner Eitelkeit. Aber ich war nicht auf jeder, ich war auf zwei Eröffnungen. Ich habe festgestellt, dass auf allen drei Ebenen des Joanneums beide eschäftsführer als entscheidende Stelle vorkommen. Da werden wir zu strafferen, einsehbareren Strukturen kommen müssen. Man kann nicht so tun, als sei die Neue Galerie aufgrund der Reiberein das Letzte, als sei dort nur mehr Sammlung aber Ausstellung unerwünscht. Ich habe bei Weibels RAF-Ausstellung mehr Mut gesehen als bei Pakeschs Lassnig-Larner-Ausstellung. Wir brauchen beides.

Die Realisierbarkeit einer Kunstakademie in Graz ist unwahrscheinlich. Anstreben tun wirs sicher. Ich war an der Meisterschule und ich hatte den Eindruck, die dort ausgebildet werden, sind rührig, die werden auch gut, aber sie werden von der Schule schlecht versorgt...

Nora Theiss: Sie haben anfangs gesagt Kunst und Soziales: Wie stehen Sie dazu, dass viele im Kunstbereich zu Löhnen arbeiten, die hart an der Armutzgrenze kratzen? Vor allem, weil Sie gesagt haben, Sie wollen lieber Einzelinitiativen fördern, heißt das dann, dass bei Institutionen eingespart wird?

Flecker: Ich kann den Institutionen nicht weniger geben, da sind wir vertraglich gebunden (...) Ich höre, eine Opernsängerin –also an einer etablierten Institution – verdient 1500 brutto, das ist also auch nicht fürstlich.
Für die Personalkosten in der freien Szene habe ich damals damit begonnen - und wir werden das fortsetzen - Personalkosten über mehrere Jahre zu finanzieren. Mehrjährige Verträge, durch die sich dann auch realistisch kalkulieren lässt. Auch ST:WUK unterstützen wir schon gehörig

Umverteilung gibt es schon zwischen den einzelnen Ressorts. Ich habe zum Beispiel mehr Sozialbudet als im Jahr davor. Für Kultur hab ich soviel Budget beantragt, wie im Wahljahr 2005 ausgegeben wurde. Ich finde es illegitim, den Vereinigten Bühen etwas wegzunehmen. Der Steirische Herbst ist eh schon schmal budgetiert, da muss ich eher noch dazugeben. Bei Styriarte, wo man gut ist in Selbstdarstellung, wurde bisher viel finanziert, wo ich weniger Verständnis hab – wir werden ja sehen, was der Beirat da entscheidet – da wird Geld frei. Ebenfalls durch die Einsparungen bei der Landesausstellung. Das könnte unter Umständen eine Vision sein. Die Steiermark muss entscheiden: Will ich mutig sein, Neues machen, as dem Steirischen Herbst wieder das machen, was er einmal war? Dann werde ich dort Geld hineinstecken. Da sind Entscheidungen zu treffen. Ich hoffe zunächst auf die Landesausstellungs-Einsparungen.

Anfrage: Die mozartfreie Zone-Plakataktion war angeblich um 10000 Euro finanziertbar. Wenn die KSG solche guten Konditionen bekommt, kann sie die nicht auch der freien Szene zugute kommen lassen?

Flecker: Ich werde die Idee aufgreifen.

Zunächst wird aus dem Architekturhauptstadtjahr 2007 sicher einmal 2008. Es gibt erst eine grobe Projektion. Ich bin auf Siete der Projektanten. Wir brauchen das, sollten eine Vorgabekultur für Architektur in den Gemeinden haben. Aber das Konzept muss ausgearbeitet werden. Für das Projekt sollen Stadt und Land je 30% zahlen, aber natürlich findet es nur statt, wenn die Stadt auch zahlt. Bisher spricht man von Kosten von 10 Mio Euro. Angeblich geht es auch billiger. Wir werden uns das anschauen und darüber reden.

Flecker: Ich habe in der MigrantInnen-Szene relativ gute Kontakte. Ich glaube, dass da sehr viel an Kreativität da ist. Ich habe eine sehr gute Zusammenarbeit mit ISOP. (ZB Straßenprojekt Rösselmühlpark gefördert.) Es ist allerdings hier leichter, aus dem Sozialressort zu fördern, als aus dem Kulturressort. Nicht wegen der Wertung sondern aus budgettechnischen Gründen fördere ich aus verschiedenen Töpfen.

Was ist mit der Rundfunk/Fernsehabgaben-Million? Sie werden sehen, weil Sie ja im Beirat sitzen, dass es zu mehr Förderung für die Freie Szene kommt, als diese Million. Ich halte die Zuordnung, wie definiert sich denn die freie Szene? Wissen Sie das schon -
Petrowitsch: Das hat glaub ich die Evaluierungskommission ganz gut definiert.

Wie mit den freien Radios in den letzten Jahren umgegangen worden ist, war nicht in Ordnung. In Zukunft wird es eine wesentlich andere Förderung in diesem Bereich geben. Das freie Fernsehen glaube ich, ist in Iwen noch zu schaffen – aber in der Steiermark wird es an der notwendigen Technisierung, an den Kosten dafür scheitern, außer der Bund zahlt mit (Okto-TV in Wien wird mit 1 Mio Euro auf drei Jahre gefördert) – Das schaffe ich nicht.